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Schwarz-rote Senatskrise in Berlin

■ Die CDU-SPD-Koalition streitet seit drei Tagen über den Landeshaushalt. Bündnisgrüne: Gewaltenteilung verletzt

Berlin (taz) – Das Hämmerchen ist wichtig geworden. So oft Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) mit seinem Sitzungsinstrument auch auf den Tisch klopft, bei der seit drei Tagen laufenden Haushaltsklausur des Senats fliegen die Fetzen. Bis an den Rand einer Regierungskrise hat sich die schwarz-rote Koalition über die Frage gestritten, wie die monströse Haushaltskrise des Stadtstaates zu bewältigen ist. Sieben Milliarden Mark müssen die SenatorInnen kürzen, damit der Landesetat 1997 ins Lot kommt. Konkrete Ergebnisse wurden für heute angekündigt.

„Diepgen hat den Sparhammer nur in der Hand, aber nicht im Kopf“, tobte schon zu Beginn des zweiten Klausurtages der Fraktionschef der SPD, Klaus Böger. Der starke Mann der Berliner Sozialdemokraten wetterte, er habe „das Gelabere satt“. Die CDU- Senatoren brächten nicht den richtigen Sparwillen mit. Ihr Parteichef Diepgen benutze sein Hämmerchen nur zum Posieren, nicht zum Draufhauen. Dann ließ Böger eine Bombe platzen: Er rief am Montag den Koalitionsausschuß an. Den benutzen die Koalitionäre zum Friedenstiften, sobald sie sich beim Regieren nicht einigen können.

Gebracht hat das Befriedungsgremium so gut wie nichts. Atmosphärisch ist die Stimmung zwischen SPD und CDU auf dem Tiefpunkt. Und auch in der Sache kamen ein erster und, zu später Montagabendstunde, zweiter Koalitionsausschuß nur zu der Erkenntnis, daß weiter gespart werden müsse. Damit ist Berlin keinen Schritt weiter: Im 42-Milliarden- Etat klafft eine Lücke von sieben Milliarden Mark. Verwaltung und Bezirke werden, wie die Opposition von PDS und Bündnisgrünen kritisiert, erst im Februar ihre Budgets kennen. Und bei den einzelnen Kürzungsvorschlägen gibt es keinerlei Fortschritt. Egal ob es um den Verkauf des Energieversorgers Bewag, um die angeblich kostengünstige Verbeamtung von Lehrern oder um die Erhöhung der niedrigen Gewerbesteuer geht – es „klemmt überall, das bringt hier alles nichts“, orakelte CDU- Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky über ein Ende der Koalition.

Landowsky, im Nebenberuf Banker, war es auch, der aus Diepgens Sitzungs- kurzerhand einen Auktionshammer machte: Die Hälfte des gesamten Berliner Landesvermögens solle man verkaufen. Bis der Hauptstadtausverkauf in eine Barschaft (Erlös: 70 Milliarden Mark) umgesetzt sei, könne man ja Schulden machen. Die KlausurteilnehmerInnen sahen sich in den Zwiespalt von Entsetzen und Gelächter getrieben. „Wir versaufen unser' Oma ihr klein Häuschen“, karikierte SPD-Widerpart Böger Landowskys Idee. „Finanzpolitisch unsinnig“ gab die Haushaltssprecherin der Bündnisgrünen, Michaele Schreyer, kühl zu Protokoll: Landowsky kündige den Generationenvertrag. Er hinterlasse nur Schulden, kein Vermögen, und die Kinder müßten für den Schulbesuch künftig Miete zahlen. Mit den Zahlen, die aus der Klausur dringen, mag sich die anerkannte Haushaltsexpertin Schreyer gar nicht mehr aufhalten. Sie und die Grünen haben verfassungsrechtliche Bedenken. Die Klausur der Berliner Regierung sei gar keine geschlossene Gesellschaft mehr. Acht ParlamentarierInnen von Schwarz-Rot dürfen mittlerweile mitdiskutieren. „Das ist schlichtweg die parlamentarische Beratung, die da stattfindet“, sagte Schreyer. Die Frontleute von CDU und SPD spielten bei den eigentlichen Haushaltslesungen nur die unrühmliche Rolle der Zuchtmeister ihrer Fraktionen. „Das Parlament wird zur Abstimmungsmaschine degradiert“. Christian Füller

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