: Deutsche! Seid fruchtbar, und mehret euer Vermögen!
■ Umverteilung in Deutschland: Das Kindergeld wird ab dem 1. Januar um 20 Mark im Monat angehoben, die Vermögenssteuer auf Null gesenkt. Heftige Proteste
Berlin/Bonn (taz/dpa) – Selig sind die Reichen, und wer Kinder hat, kriegt auch ein bißchen mehr: Von Januar an entfällt die Vermögenssteuer auf privaten und betrieblichen Besitz. Außerdem gibt es 20 Mark mehr pro Monat für das erste und zweite Kind. Bei allen weiteren Kindern bleibt das Kindergeld dagegen gleich. Dies ist das erste Ergebnis aus den Beratungen zum Jahressteuergesetz 1997, das Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) und Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) verkündeten. Der Wegfall der Vermögenssteuer löste Proteste aus.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Abschaffung der Vermögenssteuer „unvertretbar“. Keines der anderen großen Industrieländer ziehe Vermögen in so geringem Maße zur Finanzierung allgemeiner Aufgaben heran wie Deutschland, sagte gestern DGB-Vorstandsmitglied Michael Geuenich. Die Erhöhung des Kindergeldes ab 1997 sei als Gegenleistung für die Abschaffung der Vermögenssteuer indiskutabel. Schließlich sei die Kindergeldanhebung ohnehin längst vom Gesetzgeber beschlossene Sache gewesen. Die Bündnisgrünen forderten die SPD auf, „ihren Schlingerkurs zu beenden und ohne eine verfassungskonforme Beibehaltung der Vermögenssteuer dem Jahressteuergesetz 1997 nicht zuzustimmen“, so die Grünen-Fraktionssprecherin Kerstin Müller.
Die Streitpunkte Kindergeld und Vermögenssteuer sollen aus dem Paket zum Jahressteuergesetz 1997 herausgelöst werden, da in diesen Fragen zwischen Regierung und Opposition keine Einigungsmöglichkeit besteht. Damit werden jedoch Fakten geschaffen: Die Erhöhung des Kindergeldes war schon 1995 beschlossen worden, und die Vermögenssteuer entfällt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wenn keine neue Gesetzesregelung geschaffen wird.
Über die anderen Punkte des Jahressteuergesetzes, wie die rückwirkend zum 1.Januar 1996 in Kraft tretende Reform der Erbschaftsbesteuerung, die neue Grundstücksbewertung sowie die Gewerbesteuerreform, soll weiter verhandelt werden. Unklar bleibt außerdem, wie die Bundesländer die Steuerausfälle von neun Milliarden Mark durch den Wegfall der Vermögenssteuer ausgleichen können.
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