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Abgebügelt: Reform des Staatsbürgerrechts

■ Noch im Sommer machte der Reformvorschlag einer Gruppe von jungen CDU-Abgeordneten Furore. Ihre Niederlage wird aber auf dem Parteitag besiegelt

Bonn (taz) – Politik ist ein zähes Geschäft. Langwierig, voller taktischer Finessen und oft, trotz aller Anstrengungen, nicht einmal von Erfolg gekrönt. Manche starten als Tiger und enden als Bettvorleger. Das muß die junge Gruppe der CDU-Abgeordneten in diesen Tagen bitter erleben.

Wie hoffnungsvoll waren sie im Juni mit ihren Vorstellungen zu einem neuen Staatsangehörigkeitsrecht gestartet. Die Zeitungen waren voll von ihren Plänen, daß jedes in Deutschland geborene Kind von Ausländern einen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit haben soll, und voller Lobes. Die Jungen, die ausziehen, um ausgerechnet in der hierarchisch durchstrukturierten Kohl-Partei die Alten das Fürchten zu lehren; das gab gute Schlagzeilen ab.

150 Unterschriften von CDU- Mitgliedern hatten Peter Altmaier, Norbert Röttgen und Eckart von Klaeden für ihren Vorstoß gesammelt und ihn gegen den erklärten Willen von Fraktionschef Wolfgang Schäuble der Öffentlichkeit präsentiert. Der Eklat war da. Vor allem CSU-Politiker ließen sich zu wüsten Beschimpfungen über die Jungen hinreißen, wie Wolfgang Zeitlmann, der ihnen „mit der Gartenschere an die Eier“ wollte. Aber es kam auch Bewegung in die Sache. Unter Federführung von Generalsekretär Peter Hintze wurde flugs eine Kommission mit prominenten Köpfen wie Innenminister Manfred Kanther, dem justizpolitischen Sprecher Rupert Scholz und Kanzleramtsminister Bohl zusammengestellt, um über die Staatsangehörigkeit zu debattieren. Beflügelt wurden sie von der Angst: Hoffentlich sprengen uns die Jungen mit ihrem Thema nicht den Parteitag Mitte Oktober. Und genau darauf setzten Altmaier und Co. Selbst der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber traf sich mit ihnen und brüskierte damit seine eigenen Mannen, insbesondere Parteichef Theo Waigel. Rupert Scholz fühlte sich gar bemüßigt, einen Kompromißvorschlag vorzulegen. Und schließlich knickte die CSU sogar in einem Punkt ein. Überraschend erklärte sie auf einer Klausurtagung Mitte Juli, daß es für Ausländer mit einer Mindestaufenthaltszeit von zehn Jahren künftig einen Einbürgerungsanspruch geben soll. Genau dies hatten auch die Jungen gefordert.

Vollmundig gaben die Jungen schon zum besten: Bis zum Parteitag ist die Sache gelaufen. Niemand will Ärger riskieren. Innenminister Kanther ist mit seiner ablehnenden Meinung isoliert.

Doch nun ist Tristesse eingekehrt. Vor dem Parteitag ist überhaupt nichts geklärt. Die großen Träume, sich als Reformpolitiker zu profilieren, sind vorerst geplatzt. Geblieben ist ein Antrag, der am letzten Tag des Parteitags, am Dienstag nachmittag, auf der Tagesordnung steht. Dann, wenn die Hälfte der Abgeordneten schon zu Hause ist oder auf gepackten Koffern sitzt. Das Anträgchen sieht vor, die Neuordnung des Staatsangehörigkeitsrechts dem Bundesvorstand zu überweisen, „mit der Maßgabe, die Thematik noch in der ersten Hälfte des Jahres 1997 zu beraten“. „Noch“ heißt es so schön. Es könnte also Juli 1997 werden, bis über das Staatsangehörigkeitsrecht ernsthaft „beraten“ wird.

Erklärungs- und Entschuldigungsmöglichkeiten gibt es viele: Da waren die einen Wohlmeinenden, die sagten: Macht bloß nicht den starken Mann auf dem Parteitag, sonst bringt ihr nur alle gegen euch und eure Pläne auf. Und die anderen ebenfalls Wohlmeinenden, die damit drohten, sonst müssen wir euch leider Ärger machen. Natürlich kam auch die Steuerreform dazwischen. Fraktionschef Schäuble, der den Vorschlägen der Jungen freundlich gegenübersteht, hatte plötzlich genug damit zu tun. Und wäre es ratsam, den Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzenden außer mit relativ weit gehenden Plänen zur Steuerreform auch noch mit der Staatsangehörigkeit zu brüskieren? Vielleicht ist es da doch besser, erst mal Gras über die Sache wachsen zu lassen, um der CSU Gelegenheit zu geben, ohne Gesichtsverlust einzulenken. Fuchs, der du nicht an die Trauben kommst, ick hör dir jaulen. Markus Franz

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