: Ein blinder Seher
■ Heute wird Leo Kirch 70. Die Ambitionen, ein deutscher Berlusconi zu werden, hat er aufgegeben, aber sonst kann ihn nur ein Flop seines Digital-TV noch stoppen
Er wäre es wohl gerne geworden – aber er ist es nicht geworden, und er wird es auch nicht mehr: ein deutscher Berlusconi. Soviel läßt sich zu Leo Kirchs 70. Geburtstag feststellen. Daß er nicht nur ein wirtschaftliches Imperium zusammenbauen, sondern auch seinen politischen Einfluß mehren wollte, ist kein Geheimnis. Den Sender Sat.1 hat er zu Zeiten von Heinz Klaus Mertes so auf Kohl-Kurs bringen lassen, daß es selbst seinen konservativen Mitgesellschaftern zuviel wurde. Im vergangenen Jahr outete er seine Ambitionen sogar persönlich, als er öffentlich die Ablösung des Welt-Chefredakteurs Thomas Löffelholz forderte, weil der einen positiven Kommentar zum Kruzifix-Urteil des Verfassungsgerichts gedruckt hatte. Nun, im Hause Springer, wo er mindestens 35 Prozent der Aktien hält, setzte er sich damit nicht durch. Danach konzentrierte sich Kirch wieder auf sein großes Projekt – das digitale Pay-TV.
Mit Berlusconi verbindet ihn dennoch manches: nicht nur Instinkt und Aggressivität desjenigen, der seinen Konzern aus dem Nichts aufbauen mußte, sondern auch die Gerissenheit, mit der beide ihre Anteile an Sendern in Deutschland und Italien untereinander verschoben, um die jeweiligen Mediengesetze zu umgehen. Doch etwas Entscheidendes fehlte Leo Kirch, nicht zuletzt, weil er infolge einer alten Leberkrankheit fast erblindet ist: die Fähigkeit, in der Mediengesellschaft auch selbst als Medienstar zu agieren.
Heute wird sein Geflecht aus gut 50 Firmen auf rund fünf Milliarden Mark geschätzt. Daß Sat.1 immer noch Geld verliert, kümmert ihn dabei wenig. Schließlich laufen auch dort seine Filme, und das große Geld macht er seit jeher mit dem Filmgeschäft.
Eins seiner letzten großen Probleme haben ihm gerade die Politiker von CDU/CSU und SPD abgenommen. Nach der Liberalisierung des Rundfunkstaatsvertrags kann ihm die Konzentrationskontrolle nicht mehr gefährlich werden. Noch im letzten Jahr tobte der Streit, ob Pro7, der Sender seines Sohnes Thomas, nicht auch zur Kirch-Gruppe gezählt werden müßte. Damals höhnte Pro7-Chef Georg Kofler, irgend jemand sollte doch mal andere als „chromosomentechnische“ Verbindungen zwischen beiden Kirchs nachweisen. Jetzt kündigt Vater Leo an, sein 38jähriger Sohn werde in der künftigen Kirch-Holding „eine wesentliche unternehmerische Rolle einnehmen“. Nach diesem Muster hat er schon immer seinen Konzern aufgebaut – alles wird so lange verschleiert und dementiert, bis es entweder legal oder nicht mehr zu ändern ist. Am besten aber beides.
Wenn es Kirch gelingt, sein Firmenwirrwarr mit Holding und Stiftung zu ordnen, dann kann es für ihn eigentlich nur noch einen Super-GAU geben: wenn nämlich das digitale Pay-TV floppt. Selbst wenn wirklich schon 10.000 Leute einen Decoder gekauft haben, muß er noch 990.000 bestellte Geräte loswerden. Doch Kirch wäre nicht Kirch, wenn er nicht in dieser Situation versuchen würde, den stärksten Player auf seine Seite zu ziehen, die Telekom mit ihrem riesigen Kabelnetz. Wer weiß – Manfred Krug ist schon vom Telefonmuffel zum Handy-Fan mutiert. Warum sollte er nicht auch die Zugnummer für Kirchs digitales Kabelfernsehen abgeben? Einfach anrufen: 0130-1997. Michael Rediske
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