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Der Generalsekretär der FDP als Nervenbündel

■ Nachdem die Freidemokraten beim Solidaritätszuschlag von Kohl über den Tisch gezogen wurden, versucht sich Guido Westerwelle in der Rolle des Beschwichtigers

Bonn (taz) – Ein Handy klingelt. Wie so oft auf Pressekonferenzen. Doch diesmal ist es Montag, der 22. Oktober. Drei Tage nachdem die FDP zugestimmt hat, die Senkung des Solidaritätszuschlags um ein Prozent für 1997 zurückzunehmen und damit umgefallen ist, ein Tag nachdem die Bild am Sonntag getitelt hat: „Die Betrüger von Bonn“.

Das Handy klingelt und klingelt, nicht besonders laut. Plötzlich wird Guido Westerwelle schneidend scharf. „Gehen Sie doch ans Telefon!“ So dünnhäutig hat man den Generalsekretär der FDP lange nicht mehr gesehen. Er wirkt fahrig, angespannt, aggressiv, sein Gesicht nimmt gelegentlich eine rötliche Gesichtsfarbe an. Guido Westerwelle versucht, die Koalitionsvereinbarung vom Freitag schönzureden. „Ohne die FDP“, sagt er kraftlos, „gäbe es einen Beschluß, die Mineralölsteuer um 10 Pfennig zu erhöhen. Das hätte einen durchschnittlichen Haushalt mit 200 bis 300 Mark pro Jahr belastet.“ Daß dies nur für Autofahrerhaushalte gilt, daß von der Senkung des Solidaritätszuschlags dagegen alle profitiert hätten, sagt er nicht.

„Die Mineralölsteuer wäre Gift für die Konjunktur“, sagt Westerwelle. Die unveränderte Beibehaltung des Solidaritätszuschlags etwa nicht? „Die Erhöhung der Mineralölsteuer hätte eine unendliche Steuererhöhungsspirale eingeleitet“, sagt Westerwelle. Wieso? Wäre die FDP fortan überall eingeknickt? „Die FDP hat die Tür für Steuererhöhungen ein für allemal geschlossen“, sagt Westerwelle. Wirkt die Rücknahme einer finanziellen Entlastung etwa anders als eine Steuererhöhung? „Wir haben uns damit durchgesetzt, daß der Solidaritätszuschlag ab Januar 1998 nicht nur um ein Prozent wie vorgesehen, sondern um zwei Prozent gesenkt wird“, sagt Westerwelle. Gibt es tatsächlich jemanden, der der FDP noch glaubt?

Der Generalsekretär scheint nicht einmal selbst von seiner eigenen Glaubhaftigkeit überzeugt zu sein. „Wir haben ein Zugeständnis gegeben“, sagt er geqält, „das mir, wie sie mir ansehen können, sehr schwergefallen ist“. Warum fällt es ihm schwer, wenn die FDP es angeblich geschafft hat, sich als Steuersenkungspartei zu behaupten?

Wie ernsthaft der Kampf mit der CDU immerhin gewesen sein muß, zeigt, daß Westerwelle die Pressekonferenz mit einem Statement beginnt, wie es Fußballpräsidenten gewöhnlich abgeben, wenn sie ihren Trainer entlassen wollen. Sie sagen: „Wir stehen voll hinter unserem Trainer.“ Westerwelle sagte: „Ich begrüße das klare Bekenntnis von Bundeskanzler Helmut Kohl zur Bonner Koalition.“ Auf die Frage, ob die Koalition tatsächlich auf dem Spiel gestanden habe, antwortete Westerwelle, er habe in seinen anderthalb Jahren als Generalsekretär keine Verhandlung geführt, die so „außergewöhnlich hart“ gewesen sei.

Keine Rechtfertigungslitanei ohne Schuldzuweisung: Doch nicht die SPD bekam ihr Fett ab, die durch ihr Beharren auf der Erhöhung des Kindergeldes die Suche nach neuen Finanzquellen nötig machte. Westerwelle attackierte ausschließlich die CSU, die verlauten läßt, daß sie eine Senkung des Soli-Zuschlags um zwei Prozent 1998 nicht für möglich hält. Die CSU müsse endlich zu konstruktiver Arbeit zurückfinden, statt immer nur als Störenfried aufzutreten. Insbesondere der CSU-Vorsitzende und Finanzminister Theo Waigel müsse „endlich für Ordnung sorgen“. Auf die Frage, ob Waigel allen Anforderungen an einen Finanzminister genügt, antwortet Westerwelle grantig: „Kein Mensch ist unfehlbar.“ Markus Franz

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