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Kohls Karawane zieht ziellos weiter

■ Auf dem CDU-Parteitag wählen 95 Prozent der Delegierten Helmut Kohl erneut zum Vorsitzenden. Seiner Eröffnungsrede zum Sozialstaat spendeten sie aber nur mäßigen Beifall. Frauenquorum nun doch endlich abgesegnet

Hannover (taz) – Wenigstens bei der Wahl zum Parteivorsitzenden waren die Delegierten des CDU-Parteitags bereit, Helmut Kohl ein Jubiläumsgeschenk zu machen: Wenige Tage bevor der Bundeskanzler sich als längster Amtsinhaber in der Geschichte der Bundesrepublik feiern lassen kann, wurde er mit 95,5 Prozent der Stimmen in Hannover als Vorsitzender der CDU bestätigt. 831 von abgegebenen 885 Stimmen entfielen auf ihn. Ein ähnlich gutes Ergebnis erzielte bei der Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden nur Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Auf ihn entfielen 820 von 939 Stimmen.

Das Ergebnis einer anderen Abstimmung dürfte Kohl weniger Freude bereitet haben. Der Bundesvorstand hat es im zweiten Anlauf zwar nun doch geschafft, die Einführung einer Frauenquote bei der Besetzung von Ämtern und Mandaten in der CDU durchzusetzen. Überwältigend aber war die Zustimmung der Delegierten des Parteitags in Hannover nicht: Er erhielt 609 Jastimmen, das bedeutete aber gleichzeitig, daß nicht einmal zwei Drittel der 1.001 abstimmungsberechtigten Delegierten von der Notwendigkeit einer Frauenquote zu überzeugen waren.

Dabei hatte Bundeskanzler Helmut Kohl das Thema in diesem Jahr erneut zur Chefsache gemacht. CDU-Generalsekretär Peter Hintze wurde dann bei der Vorstellung des Antrags geradezu beschwörend: „Heute erleben wir einen Vormarsch qualifizierter Frauen in allen Lebensbereichen. Es ist mein Wunsch, daß dieser Marsch nicht an der CDU vorbeizieht, sondern daß wir ihn für uns nutzen.“

Zahlreichen Gegnern und Gegnerinnen der Frauenquote innerhalb der CDU war die Zustimmung zum Quorum durch sehr „weiche“ Bestimmungen erleichtert worden: Bei der Aufstellung von Mandatslisten „sollen“ – nicht „müssen“ – Frauen zu einem Drittel berücksichtigt werden.

Das Für und Wider der Frauenquote hatten die Delegierten vor der Abstimmung gar nicht erst erörtert. Zwar lagen zum Thema rund zwanzig Wortmeldungen vor. Niedersachsens Landesvorsitzender Christian Wulff ließ jedoch über den Antrag abstimmen, eine Debatte nicht zuzulassen. Schließlich diskutiere man die Frage schon lange. Auch die Delegierten wollten das Thema offenbar vom Tisch haben. Der Antrag Wulffs fand eine breitere Mehrheit als der Antrag zum Quorum.

Eher zurückhaltend hatten die Delegierten auf Kohls Grundsatzrede zur Eröffnung des Parteitags reagiert. In ihr hatte der Kanzler einerseits vor der „Ellenbogengesellschaft“ gewarnt, andererseits aber auch die Reform des Sozialstaats angemahnt. Keinen Zweifel ließ er daran, daß die Steuerreform erst zum 1.1. 1999 in Kraft treten soll. Abgerückt ist Kohl dagegen von seiner ursprünglichen Position, bis zum Jahr 2000 die Zahl der Arbeitslosen um die Hälfte zu verringern. „Ich wäre zufrieden“, sagte Kohl, „wenn wir zwei Drittel erreichen können.“ Bettina Gaus Seite 4

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