„Ich fürchte, daß ich recht behalten werde“

■ Mit dem Beschluß für ein Frauenquorum flog der frühere Postminister Christian Schwarz-Schilling aus der Parteispitze. In der Rentenfrage mag er seiner Partei nicht folgen

taz: Herr Schwarz-Schilling, Sie sind eines der ersten prominenten Quorum-Opfer.

Schwarz-Schilling: So ist es.

Sie gelten als Verfechter von Menschenrechtspositionen. Ist dieses Wertethema in der CDU nicht mehr gefragt?

Wir haben über dieses Thema in der CDU/CSU-Fraktion sehr viele Debatten. Ich erinnere nur an den Tibet-Beschluß, der aufgrund unserer Initiative mit einer überwältigenden Mehrheit verabschiedet wurde. Das Thema ist allerdings im allgemeinen Bewußtsein nicht so präsent.

Während die Spitzen von CDU und CSU auf dem Parteitag die Koalition mit der FDP über 1998 hinaus bekräftigen, erklärt deren Generalsekretär, daß die Einkommenssteuererhöhung schon Anfang 1998 kommt und daß der Solidarzuschlag um zwei Prozent gesenkt wird. In beiden Punkten geht die CDU nicht d'accord. Die Koalition befindet sich in einer Schieflage.

Die FDP ist eine Wirtschaftspartei und fühlt sich in diesen Fragen natürlich herausgefordert. Die Profilierung der kleinen Partei ist auch erforderlich, aber die CDU/ CSU muß die Mehrheit bringen und muß von daher ein großes Spektrum beachten. Was nützt es auf die FDP-Vorschläge einzugehen und sich danach in der Minderheit zu befinden? Deshalb hat der Kanzler eine ganz andere Verantwortung. Das Turnen der FDP sollte man nicht zu ernst nehmen.

Das Erscheinungsbild der Koalition ist immerhin auch den Delegierten aufs Gemüt gegangen.

Die Stimmung ist gegenüber früheren Jahren, in denen es auch Koalitionskräche gegeben hat, keinesfalls schlechter geworden. Im Gegenteil, wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, daß es ganz gut läuft. Und wenn es dann zu solchen Auseinandersetzungen kommt, sieht man darin eine Tragödie.

Kohl ist in seiner Parteitagsrede von dem Ziel, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu reduzieren, deutlich abgerückt. Die Aussichten scheinen schlechter zu sein als bislang angenommen.

Der Kanzler hat nicht eine präzise Feststellung getroffen. Kein Mensch kann bei einer so turbulenten, dynamischen Weltentwicklung exakte Zahlen über die zukünftige Arbeitslosigkeit sagen. Es ist vernünftig, der Bevölkerung zu sagen, daß man nicht mit exakten Zahlen aufwarten kann.

An diesen Zielzahlen wird die Koalition bei der Wahl 1998 gemessen werden. Was ist, wenn die Konjunkturprognose und die davon abhängende Reduzierung der Arbeitslosigkeit nicht eintrifft?

Wenn wir exogene Faktoren haben, wie Einbrüche der Weltkonjunktur, Schwierigkeiten im Export aufgrund neuer Entwicklungen im Ausland, dann müssen wir hier unseren Mann stehen und das erklären. Das ist nicht leicht, aber bei dem Wettbewerb, den wir mit der SPD haben, haben wir ganz gute Bedingungen. Denn was die erklärt, ist weniger glaubwürdig.

Die CDU wird noch im Wahljahr die Debatte um die Einkommenssteuerreform und um die Rentenreform führen. Die Vorstellungen in der Partei liegen dabei weit auseinander.

Sie wissen, daß ich bei der Rentenreform seit 1988 eine andere Position vertrete als die von der Partei beschlossene. Der Generationenvertrag kann so nicht gehalten werden. Ich fürchte, daß ich recht behalten werde, und daß dann die Zeit nicht mehr zur Verfügung steht, die wir ab 1989 dringend gebraucht hätten, um die Reform richtig zu machen. So werden wir dann noch drastischere Einschnitte bei der Rente brauchen.

Die Debatte um diese Verteilkonflikte wird im Wahlkampf ausgetragen werden.

Hat denn die SPD irgendwo einen besseren Vorschlag gemacht?

Die SPD hat Vorschläge gemacht, von denen sich ein größerer Teil der Bevölkerung berücksichtigt sieht.

Opportunistische Vorschläge zu machen, darin ist die SPD Meisterin. Wir setzen auf den Kanzler, der in der Bevölkerung ein ganz anderes Vertrauen genießt als die Koryphäen der SPD. Dieter Rulff, Hannover