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„Stumpfe soll nicht als Weichei dastehen“

■ Werner Neugebauer, IG-Metall-Chef in Bayern, zum Scheitern der Tarifgespräche

taz: Die Metallverhandlungen sind gescheitert. Was war der Knackpunkt?

Werner Neugebauer: Gescheitert sind die Verhandlungen an den Punkten Lohnfortzahlung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Insbesondere deshalb, weil der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Werner Stumpfe, für uns völlig überraschend die Situation in tarifungebundenen Betrieben zur Meßlatte erhoben und damit einen riesengroßen Popanz aufgebaut hat. Für einen Gleichstand mit diesen Betrieben, so lautete Stumpfes These, müsse man die Sonderzahlungen um 43,5 Prozent kürzen. Die Richtung war damit vorgegeben: Man wollte den Arbeitnehmern zwar beim Lohn etwas geben, aber das sollte durch Absenkung der Sonderzahlungen gleich doppelt wieder einkassiert werden.

Im Gegenzug wären die Arbeitgeber zur hundertprozentigen Lohnfortzahlung bei Krankheit bereit gewesen?

Ja, aber die Arbeitgeber wollten ein Gesamtpaket schnüren, das tatsächlich zu einer Minusrunde im nächsten Jahr geführt hätte. Im Ergebnis wäre das für die Beschäftigten noch nicht einmal auf eine Nullrunde hinausgelaufen. Das ist für uns nicht akzeptabel.

Sie sind in Bayern jetzt für die IG-Metall als nächster am Zug, denn am Freitag wird Ihre Tarifkommission den Manteltarifvertrag kündigen.

Ja, wir wollen, daß Teile des Vertrags, auch der Passus zur Lohnfortzahlung, gekündigt werden.

Warum gerade in Bayern?

Weil wir, anders als zum Beispiel in Baden-Württemberg, Einzelpassagen des Manteltarifvertrages mit einer Dreimonatefrist kündigen können.

Wollen Sie über diesen Weg aus der Friendenspflicht in Sachen Lohnfortzahlung rauskommen?

Wir wollen uns in die Lage versetzen, daß Thema Lohnfortzahlung auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen über Löhne und Gehälter anzupacken und auch arbeitskampffähig zu machen. Daß es wohl am Verhandlungstisch nicht geht, haben ja die Gespräche gezeigt. Wir müssen ein Gesamtpaket notfalls auch streikfähig machen.

Kommt der IG Metall Bayerns da wieder eine Pilotfunktion zu?

In diese Situation könnten wir kommen, wenn die regionalen Gespräche am Verhandlungstisch scheitern.

Ein Einlenken in Richtung IG Metall hätte nach Auffassung der Arbeitgeber zu einer weiteren Flucht von Unternehmen aus ihrem Verband geführt. Das liegt auch nicht im Interesse der Gewerkschaften.

Nein, sicher nicht, aber was Herr Stumpfe dazu erklärt, ist ein Schmarrn. Der Flächentarifvertrag wird nicht nur von uns, sondern auch von vielen Betrieben gewünscht. Wir haben im übrigen im bayrischen Metallarbeitgeberverband heute mehr Mitglieder als vor dem Streik 1995.

Sie fürchten nicht, daß durch das Scheitern der Anfang vom Ende des Flächentarifvertrags eingeläutet worden sein könnte?

Das ist eine schwierige Belastungsprobe. Der Flächentarifvertrag ist ein wichtiges Gut, doch wir können ihn nicht aufrechterhalten, wenn auf der anderen Seite Partner sitzen, die von uns etwas verlangen, was wir nicht geben können. Zu Reformen des Flächentarifvertrages sind wir bereit, aber wir sind zu einer Diskussion über die von den Arbeitgebern geforderten Öffnungs- und Optionsklauseln für einzelne Betriebe gar nicht mehr gekommen.

Wollte Stumpfe das nicht?

Herr Stumpfe hat ein Problem. Er ist Präsident geworden und hat dann bei der Kürzung der Lohnfortzahlung mächtig die Backen aufgeblasen – und ist auf die Schnauze gefallen. Jetzt in den Verhandlungen ging es aus meiner Sicht zu 98 Prozent nur darum, ihm zu ersparen, als Weichei dazustehen. Er hat wieder die Backen aufgeblasen und erneut völlig falsche Erwartungen bei den Regierenden und im Arbeitgeberlager erweckt. Das Ergebnis liegt nun vor. Interview: Walter Jakobs

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