Die Gen-Soja ist auf dem Weg

Die ersten manipulierten Sojabohnen werden geerntet. Immer mehr Betriebe und Supermärkte wollen die herbizidresistente Frucht meiden
■ Von Wolfgang Löhr

Rund 15 Jahre haben die Gen- Forscher von Monsanto an der Sojabohne gearbeitet. Über 100 Millionen Mark hat der Chemiekonzern nach eigenen Angaben in die Entwicklungsarbeiten der herbizidresistenten Gentech-Bohnen hineingesteckt. Vor wenigen Tagen hat nun die Ernte begonnen: US-Farmer lagern die ersten kommerziell angebauten Gentech-Sojabohnen in ihren Silos ein.

Ab nächsten Monat werden die „Roundup Ready Soybeans“, so der Handelsname der Gentech- Bohnen, dann auch in den europäischen Ölmühlen erwartet. Neun Millionen Tonnen Sojabohnen bezieht die Europäische Union aus den USA. Jede fünfzigste Bohne wird dieses Jahr eine manipulierte sein. Vermischt mit konventioneller Ware und ohne besondere Kennzeichnung werden sie in den Ölmühlen zu Viehfutter, Sojaöl, Sojaschrot und Lecithin verarbeitet. Die Bonner Verbraucherinitiative schätzt, daß diese Rohstoffe in 20.000 bis 30.000 Lebensmittel zu finden sind.

Obwohl nach einer von Greenpeace bei Emnid in Auftrag gegebenen Umfrage weit über drei Viertel der Verbraucher sich gegen Gen-Food ausgesprochen haben, wird ihnen eine Entscheidungsfreiheit beim Kauf von Lebensmitteln nicht zugestanden: Eine Kennzeichnung als „Ware aus dem gentechnologischen Anbau“ ist weder vorgeschrieben noch von den sojaverarbeitenden Ölmühlen erwünscht.

Zwar verwendet die Lebensmittelindustrie jetzt schon – ohne daß die Verbraucher überhaupt etwas davon mitbekommen – zahlreiche gentechnisch hergestellte Enzyme. Mit der Vermarktung der „Roundup Ready Sojabohnen“ von Monsanto wird jedoch ein neues Kapitel der Gentechnologie aufgeschlagen. Sie sind die ersten genmanipulierten Pflanzen überhaupt, die in einer so großen Anzahl von Lebensmitteln verarbeitet werden sollen. Für Jens Katzek, Gentechnikexperte beim Bund, wird „damit die Einführung von Soja zu einer zentralen Frage im Zusammenhang mit dem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich“. Mit dem Soja wird sich entscheiden, ob das Recht der Verbraucher auf Information ernst genommen wird und Gentech-Food künftig überhaupt kenntlich gemacht werden muß. „Wenn es keine Kennzeichnung gibt, bedeutet dies eine Zwangsernährung der Verbraucher“, meint dazu die Grüne-Europaabgeordnete Hiltrud Breyer.

Die Ankündigung, daß die gegen das Pflanzengift Roundup widerstandsfähig gemachten Sojabohnen in diesem Herbst erstmals weltweit und ohne besondere Kennzeichnung vermarktet werden, hat nicht nur bei Umwelt- und Verbraucherschützern zu Protesten geführt. Zahlreiche Kaufhausketten und auch immer mehr sojaverarbeitende Unternehmen wehren sich dagegen, daß ihnen und damit ihrer Kundschaft das Gentech-Soja untergeschoben wird. Sie befürchten drastische Absatzeinbußen.

Zum ersten Mal überhaupt hat Greenpeace Deutschland eine Kampagne zum Thema Gentechnik gestartet. Gemeinsam mit dem BUND und der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände wollen sie in letzter Minute noch verhindern, daß die Gentech-Bohnen auf den Markt kommen. Über die Lebensmittelproduzenten wollen sie „Druck auf die Soja-Anbieter“ ausüben, damit diese weiterhin gentechnikfreies Soja anbieten.

Das Argument von Monsanto, eine Trennung sei schon bei der Ernte der Sojabohnen nicht möglich, weist Greenpeace-Campaigner Jörg Naumann zurück. Er hat sich sich vor Ort in den USA kundig gemacht: „Die müssen dort doch fast alles getrennt einlagern, damit immer gewährleistet ist, ein Produkt bis zum Farmer zurückverfolgen zu können.“

Die Greenpeace-Kampagne ist nicht ohne Wirkung, selbst mehrere großen Sojaverarbeiter haben sich noch schnell mit einem Vorrat an konventioneller Ware eingedeckt. Ein Teil von ihnen scheint darauf zu setzen, daß die Proteste mit der Zeit ihre Wirkung verlieren und sie dann doch ungestraft von Boykottaufrufen Gentech- Soja einsetzen können. Sogar der Branchenriese Unilever, der selbst Gentech-Enzyme für die Lebensmittelindustrie herstellt, hat noch schnell seine Lager gefüllt. Für eine Kennzeichnung tritt er jedoch nicht ein. Es gilt ein Exempel zu verhindern: Denn sollte sich die Kennzeichnung aller Gentech- Soja enthaltenden Lebensmittel durchsetzen, könnte das Schule machen und als nächstes die Produkte aus dem eigenen Genlabor betroffen sein.

„Sojaöl = Sojaöl“. Mit dieser einfachen Formel wirbt die von Monsanto in Frankfurt eingerichtete „Information Sojabohne“. Gesundheitliche Risiken, beispielsweise erhöhte Allergiegefahr, seien nicht zu befürchten. Das aus den Roundup-Ready-Sojabohnen gewonnene Öl unterscheide sich überhaupt nicht vom herkömmlichen Produkt.

Den Gentech-Kritikern reicht dies nicht aus. Sie verweisen auf das „berühmte“ Restrisiko. Gerade bei Lebensmittelallergien gebe es keine sicheren Testverfahren, um die Gefahr vorab abzuschätzen. Die neuen Sojabohnen brächten zudem für den Verbraucher keinerlei Nutzen. Vorteile von den herbizidresistenten Bohnen hat lediglich der Chemiekonzern Monsanto. „Der Weg zum pestizidfreien, umweltfreundlichen Landbau“, so Greenpeace, sei damit versperrt.

Die Strategie des Chemieunternehmens liegt auf der Hand: Mit dem Doppelpack, Saatgut und dem dazu passendem Pflanzengift, können gleich zwei Marktsektoren bedient werden. Die dabei auftretenden Synergieefffekte sind gewollt. „Der Weltmarkt für Pflanzenschutzmittel betrug 1995 etwa 40 Milliarden Mark, der für frei handelbares Saatgut etwa 23 Milliarden Mark“, berichtete vor kurzem Ernst Rasche von der Hoechst-Schering-Tochter AgrEvo. In einer internen Studie der AgrEvo wird davon ausgegangen, daß sich die beiden Märkte in den nächsten zehn Jahren sehr unterschiedlich entwickeln: „Während der Markt für den chemischen Pflanzenschutz nur geringfügig zunimmt“ – ein Plus von 1,5 Milliarden Mark bis zum Jahre 2005 –, wird im Saatgutbereich ein Zuwachs von 4 Milliarden Mark erwartet. Mit Gentech-Pflanzen allein soll dann einen Umsatz von 9 Milliarden Mark zu erzielen sein. Bei den Pflanzengiften ist eine deutliche Umsatzsteigerung dagegen nur mit einem Verdrängungswettbewerb zu erreichen. Und: Was ist dafür besser geeignet als Pflanzen, die nur das hauseigene Pestizid vertragen?