■ Nachschlag: Viel Nase: Signierstunde mit Tom im "Groben Unfug"
Am strahlenden Herbsttag kann es nicht liegen, wenn zuerst nur ein Häufchen Fans auftaucht zur Signierstunde mit Tom am Freitag um vier. Ein Mann in mittleren Jahren mit raspelkurzem Haar, blassen Sommersprossen, freundlichen Augen und (wenn er fotografiert wird) extremer Kräuselstirn sitzt an einem langen Holztisch, darauf Stapel seines neuen Buchs „Im Land des Lächelns“. In der Galerie des Kreuzberger Comicladens „Grober Unfug“ wird gerade die Ausstellung „Star Treck“ gezeigt: Modellraumschiffe in Kinderspielzeuggröße, dazu Gummipuppen der Enterprise-Mannschaft bilden den passend-unpassenden Hintergrund von Toms Signiertätigkeit.
Sittsam stehen die Fans Schlange. Auch mitgebrachte Bücher werden signiert, vorausgesetzt, sie sind von Tom. Jeder darf sich ein Motiv ausdenken – Tom führt es aus, und zwar mehrfarbig! Den zuerst Gekommenen haben es seine häßlichen Hunde angetan. Ob Tier oder Mensch, wenn Tom zeichnet, beginnt er immer mit der dicken Nase: „An ihr hängt alles.“ Dann folgt mit routiniertem Strich der Körper, zum Schluß kommen die Symbole: Wolke für Furz, Fliege für Gestank, Spinnennetz für Ewigkeit, Fischgräte für Tom. Ein kahlrasierter Jüngling wünscht sich „für Mutti“ eine alte Frau, und Tom (der inzwischen Kaffee aus einer Tasse mit Star- Treck-Motiv trinkt) darf endlich seine schrullige, der Lethargie des Postbeamten trotzende Postoma zeichnen: „Die kann ich am besten!“
Plötzlich ist es proppenvoll. Sichtbar glücklich, bleibt Tom ins geduldige Zeichnen seiner Archetypen vertieft. Vielleicht ist es ja der Badenser in ihm, der für dieses Gleichmaß sorgt. Zwei ungefähr 15jährige Mädchen haben einen ganzen Stapel Tom-Bücher dabei. Als ihr Star kokett überfordert tut, protestieren sie: „Aber im zitty stand ...!?“ Und schon senkt Tom den Filzstift aufs Papier, um die merkwürdigste seiner Figuren zu zeichnen. Pappnase, Brille mit gigantischen Augenwimpern plus Schnauzbart, Baseballmütze und, last not least, der in ein Verbotsschild eingelassene Hundehaufen mit Fliege, der sein T-Shirt ziert: „Der Exkreminator“. Ein italienischer Herr mit Schlips, Hornbrille und Aktentasche spricht den einheimischen Fans aus der schüchternen Seele: „Maestro, meine Verehrung!“ Zeichnen soll Tom, bittesehr, eine betende Nonne mit verzücktem Gesicht – „per Marta“. Als Tom noch einen Gondoliere dazu malt, ist der temperamentvolle Signore „gerührt“. Er war nicht der einzige an diesem langen Nachmittag. Ina Hartwig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen