: Schönbohms Angriffe werden heftiger
■ Zwei weitere Häuser geräumt. Innensenator bezichtigt Opposition der Mittäterschaft bei Brandanschlag auf Daimler
Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) läßt nicht locker. Drei Tage nach der Räumung von drei besetzten Häusern in Friedrichshain ließ Berlins oberster Stadtreiniger gestern erneut zwei Häuser räumen. In der Fehrbelliner Straße 4 nahm die Polizei acht Personen vorläufig fest. Das Gebäude war nach Angaben aus der Nachbarschaft seit drei Monaten still besetzt. Ebenfalls geräumt wurde die Pfarrstraße 92 in Lichtenberg. Das Haus war zusammen mit anderen Gebäuden aus Protest gegen die jüngsten Räumungen gestern besetzt worden.
Erstmals nahm der Innensenator gestern auch die Opposition im Abgeordnetenhaus ins Visier. Anläßlich eines Anschlags auf eine Mercedes-Benz-Filiale warf Schönbohm den Bündnisgrünen und der PDS vor, Mitschuld an einem Klima zu tragen, das solche Taten ermögliche. Beide Parteien hatten die Räumungen in Friedrichshain scharf kritisiert.
Bei dem Anschlag auf die Mercedes-Verkaufsfiliale am Charlottenburger Salzufer war in der Nacht zum gestrigen Donnerstag nach Polizeiangaben ein Sachschaden von 100.000 Mark entstanden. Unbekannte hätten neun Scheiben eingeschlagen und zwei Molotowcocktails in einen Ausstellungsraum geworfen. Laut Polizei sind auf dem Gelände der Niederlassung insgesamt sieben Fahrzeuge beschädigt worden. Das an einem Wagen ausgebrochene Feuer sei schnell von selbst erloschen. Die Polizei hat nach eigenen Angaben am Tatort ein Flugblatt gefunden, auf dem gegen die Räumungen protestiert und der Rücktritt von Innensenator Schönbohm gefordert worden sei. Der Staatsschutz ermittelt.
Gegen die Anschuldigungen Schönbohms, sie seien mitverantwortlich für den Anschlag auf Mercedes-Benz, haben die Oppositionsparteien unterdessen scharf protestiert. Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, sprach von einer „Unerhörtheit“, mit der der Innensenator das Ziel verfolge, einen „kritikfreien Raum zu erwirken“. Schönbohm, so Wieland, „führt die Eskalation mutwillig herbei“. Die PDS-Abgeordnete Marion Seelig sprach davon, daß nach der Kriminalisierung der Besetzer nun auch Parlamentarier und ganze Parlamentsfraktionen kriminalisiert würden.
Kritisch gegenüber Schönbohm äußerte sich gestern erstmals auch die SPD. Der innenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Hans Georg Lorenz, sagte, er halte es für verständlich, daß „bestehende Politik Opposition hervorruft“. An die Adresse des Innensenators gerichtet sagte Lorenz, er würde sich aber davor hüten, diese Opposition als geistige Brandstiftung zu bezeichnen. Lorenz wörtlich: „Ich hoffe nur, daß dies ein Lapsus war.“
Gegen die fortdauernde Eskalation durch den Innensenator haben die Besetzer inzwischen zu einer Demonstration am kommenden Sonntag aufgerufen. Sie beginnt um 14 Uhr am U- und S-Bahnhof Frankfurter Allee. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen