■ Querspalte: Daddeln fürs Vaterland
Keine Frage, im Kampf gegen die Haushaltslöcher ist Phantasie gefragt. Desto lobenswerter ist der selbstlose Einsatz von vier Bundestagsabgeordneten, die keine Mühe scheuten, ihre kostbare Zeit in nächtelangen Sitzungen an grünen Tischen mit beschwerlichem Abwiegen bunter Spielmarken zu verbringen.
Um es vorwegzunehmen: Sie haben verloren, aber doch ihr Bestes versucht, während die mutlosen Volksvertreter daheim in einer endlosen Debatte wieder nur übers Sparen redeten. Johannes Singer und Margitta Terborg (beide SPD), Michael Jung (CDU) und Uwe Lühr (FDP) nahmen die beschwerliche Reise nach Las Vegas auf sich. Sie kehrten mit gleich zwei Erkenntnissen zurück: Das nächste Spiel ist das schwerste, und beim neuen Spiel winkt neues Glück.
Finanzpolitiker sollten dem Risikoimpuls der nun der Vergnügungssucht bezichtigten Abgeordneten unbedingt Rechnung tragen. Es ist kein Geheimnis, daß es für Zocker mit gutem Gedächtnis beim Black Jack erfolgreiche Spielstrategien gibt. Für bessere Ergebnisse brauchen unsere Abgeordneten dringend entsprechende Spielerberatung.
Langfristig kann der Einsatz der Diäten zur Rettung des Staatsbudgets nur erfolgreich sein, wenn er systematisch betrieben wird. Warum in die Wüste reisen, wenn die Rennbahnen doch so nah? Der Bundestag könnte mit Turfexkursion umgehend einige Arbeitsplätze retten.
Aus Hamburg kam dieser Tage die Meldung, daß die Bahrenfelder Trabrennbahn ihre Pacht an die Stadt nicht mehr bezahlen kann. In München und Berlin siechen die Pferdepisten ebenfalls vor sich hin. Abgeordnete aller Länder, setzt auf das richtige Pferd, setzt auf das falsche Pferd, aber setzt! Die Verluste kommen ohnehin dem Staatssäckel zugute, und Kulturhaushalte sind langfristig nur noch aus Lottomitteln zu finanzieren.
Der Las-Vegas-Trip der Abgeordneten ist ein verzeihbarer Fall von Steuerflucht. Heimisches Glücksspiel in Zeiten des Haushaltslochs ist politisch korrekt. Harry Nutt
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