: Die Föderation aus Serbien und Montenegro ist von innen bedroht
■ Im Wahlkampf fordert die montenegrinische Opposition offen die Abspaltung von Serbien. Große Distanz zu Belgrad
Berlin (taz) – Die gesamte politische Führung der jugoslawischen Republik Montenegro stand neulich ehrfurchtsvoll vor dem Gast aus Deutschland, während die Kameras liefen. Es war jedoch kein Bonner Potentat, der sich über die Wahlen in Jugoslawien informieren wollte. Claudia Schiffer galt die Ehre. Das Super-Model wurde auserkoren, gegen entsprechendes Entgelt, für den montenegrinischen Tourismus zu werben. Und nebenbei auch die führenden Köpfe der regierenden Partei der Demokratischen Sozialisten in ein wenig Glamour zu hüllen.
Die zu Sozialisten gewandelten Kommunisten aus dem Land der schwarzen Berge sind bemüht, die Wahlen am Sonntag um jeden Preis zu gewinnen. Sollten sie versagen, wäre der Fortbestand der Bundesrepublik Jugoslawien, jenes Staates, der nach dem Zerfall Jugoslawiens aus Serbien und Montenegro entstand, in Frage gestellt. In Serbien leben fast zehn Millionen Menschen, während Montenegro nur 650.000 Einwohner hat. Weitere 150.000 Montenegriner leben in Serbien. Der Anteil der kleineren Föderaleinheit am gemeinsamen Bruttosozialprodukt beträgt fünf Prozent.
Zwei der drei großen Oppositionsparteien in Montenegro, die Liberale Allianz und die Sozialdemokratische Partei, fordern einen eigenen Staat. Die montenegrinische Volkspartei ist zwar eher proserbisch, will aber, daß sich die Bürger in einem Referendum entscheiden, ob sie wirklich zusammenleben wollen. Die Liberale Allianz und die Volkspartei haben ein Oppositionsbündnis geschlossen.
Auch die regierenden Sozialisten sind bemüht, sich von den serbischen Sozialisten mindestens optisch zu distanzieren. Vor wenigen Wochen hat die Republik Montenegro, die auch einen eigenen Außenminister hat, eine Handelsvertretung in Washington eröffnet. Jüngst haben zahlreiche montenegrinische Wirtschaftsleute Slowenien besucht, während sich serbische Unternehmer noch nicht trauen, mit dem Land offene Kontakte aufzunehmen.
Montenegro hat geduldig gewartet, daß man auf Bundesebene ein Privatisierungsgesetz billigt. Da Serbien aber immer noch zögert, setzte Montenegro dies im Alleingang durch. Neuerdings wurde die Existenz eigener Devisenreserven bekannt. Auch ist das Verhältnis zwischen den Behörden und der albanischen Minderheit in Montenegro nicht so gespannt wie die Situation im Kosovo. Staatschef Momir Bulatović besuchte den albanischen Präsidenten Sali Berisha vor drei Jahren, als zwischen Belgrad und Tirana Funkstille herrschte.
Nichtsdestoweniger wiederholen die montenegrinischen Sozialisten gebetsmühlenartig, daß ihre Politik auch die des Gesamtstaates Jugoslawien ist. Unterlassen sie dies, handeln sie sich prompt Prügel aus Belgrad ein. Manchmal wird ein Binnenzoll eingeführt, dann kommt kein Geld für montenegrinische Rentner aus der Bundeskasse. Oder Miloševićs Gattin, Mirjana Marković, verurteilt in ihren Kolumnen die montenegrinische Führungsriege als korrupt und diebisch.
Die Opposition wirft den Sozialisten die Teilnahme montenegrinischer Soldaten am Krieg gegen Kroatien vor. Montenegrinische Soldaten haben sich im Krieg von 1991 einen traurigen Ruf als „Schänder von Dubrovnik“ erworben. Dabei berufen sich oppositionelle Politiker gern auf die den Montenegrinern eigenen Tugenden wie „Edelmut und Heldentum“, Eigenschaften, die das kleine, stolze Bergvolk jahrhundertelang gepflegt und, natürlich, mythologisiert hatte.
Unklar ist, ob das Land tatsächlich aus dem Schatten des großen serbischen Bruders treten will. An markigen Sprüchen fehlt es nicht, an Gewaltbereitschaft auch nicht. Offen ist, wie Belgrad reagieren würde. Ohne Montenegro wäre Serbien ein Staat ohne Zugang zum Meer. Daß Slobo, der Alleinherrscher, sich damit abfinden könnte, ist eher unwahrscheinlich. Snežana Bogavac
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