: Waigel wird schwarz vor lauter roten Zahlen
■ Neueste negative Steuerschätzung könnte Bundeshaushalt belasten. Finanzminister Waigel will Teile der Steuerreform vorziehen. Streit um Wehretat
Hamburg/Bonn (AP/AFP) – Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) jagen die roten Zahlen. Die Löcher im Bundeshaushalt 1997 sind noch nicht gestopft, da zeichnet sich schon ein neues Milliardendefizit ab. Die Steuereinnahmen sollen im kommenden Jahr um fast zwei Milliarden Mark niedriger ausfallen als bislang angenommen, berichtete Bild am Sonntag unter Berufung auf die jüngste Steuerschätzung. Waigel warnte erneut die FDP davor, den Haushalt im Parlament abzulehnen.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel erwägt Waigel, einen Teil der für die Finanzierung der geplanten Steuerreform vorgesehenen Streichungen von Steuervergünstigungen vorzuziehen. Dann könnten schon 1998 oder sogar noch früher Abschreibungsvergünstigungen oder die Möglichkeit der Unternehmen, steuerfreie Reserven anzulegen, drastisch beschnitten werden, so das Magazin in seiner neuesten Ausgabe. Der FDP wolle CDU/ CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble die Zustimmung zu dieser verdeckten Steuererhöhung mit einem Entgegenkommen beim Solidarzuschlag schmackhaft machen. Der könnte dann, wie von der FDP versprochen, 1998 um zwei Prozentpunkte gesenkt werden.
Zu dem Steuerschätzungen wollte sich das Bundesfinanzministerium nicht äußern und verwies auf offizielle Zahlen, die am Donnerstag und Freitag auf der Sitzung des zuständigen Arbeitskreises in Erfurt erwartet werden. Waigel hatte aber im Bundestag angedeutet, daß er Mindereinnahmen befürchte. Schon bisher hatten zur Deckung des Etats 1997 etwa sieben Milliarden Mark gefehlt. Die Hälfte davon wurde mit dem Verzicht auf die Senkung des Solidaritätszuschlags gedeckt. Für das verbliebene Loch von knapp 3,5 Milliarden Mark hat Waigel Sparmaßnahmen auch bei der Bundeswehr angekündigt.
Der Unions-Verteidigungsexperte Klaus Dieter Reichardt sagte der Welt am Sonntag, er befürchte Kürzungen von 300 bis 500 Millionen Mark im Wehretat. Er forderte Waigel auf, die Zusage einzuhalten, daß es zu keinen Streichungen mehr komme. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hatte weitere Kürzungen abgelehnt. Der SPD-Politiker Dieter Heistermann, der stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses ist, sagte, der Wehretat sei bis zum letzten Pfennig ausgereizt. Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt erklärte hingegen am Wochenende, der Streit mit Waigel sei beigelegt. „Wir haben miteinander gesprochen und gehen jetzt einvernehmlich in der Koalition an Einsparungen.“
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