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Lieber Märtyrer malen als Banker morden

■ Angeblicher RAF-Terrorist Christoph Seidler beteuert Unschuld und will sich stellen

Berlin (taz) – Er wird als Topterrorist gesucht, beteuert seine Unschuld und ist bereit, sich zu stellen: Christoph Seidler wird von der Bundesanwaltschaft wegen angeblicher RAF-Mitgliedschaft und dem Mord am Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, gejagt. Jetzt stellt sich heraus, daß der 38jährige über ein Aussteigerprogramm des Kölner Verfassungsschutzes bereits seit rund zehn Monaten in Kontakt mit deutschen Behörden steht. In einem Interview mit dem Spiegel sagte Seidler, er sei am Tattag, dem 30. November 1989, im Libanon gewesen. Er habe nie der RAF angehört und sei bereit, sich zu stellen: „Jetzt wieder umzukehren würde nur gegen mich ausgelegt werden.“

Mehrere Zeugen bestätigen den langjährigen Aufenthalt Seidlers im Libanon. Einer von ihnen sagte, Seidler sollte zur fraglichen Zeit das „Märtyrerbild“ eines palästinensischen Fischers malen, der kurz zuvor beim Versuch, ein israelisches Patrouillenboot in die Luft zu sprengen, ums Leben gekommen war. Die Bundesanwaltschaft will morgen eine Deutsche als weitere Zeugin vernehmen, die 1989 an der Bürgerkriegsfront bei Beirut gewesen sei. Ein Verfassungsschützer überprüfte Seidlers Angaben im Libanon.

Seidler wurde angeblich Ende Mai in Freiburg von einer Schulfreundin erkannt. Die verdeckte Fahndung der Polizei sei damals nach einer Intervention der Verfassungsschützer gestoppt worden. Seidler war 1992 vom ehemaligen V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes, Siegfried Nonne, schwer belastet worden. Der hatte gesagt, Seidler sei damals mit einer mutmaßlichen RAF-Terroristin und zwei weiteren Männern in seiner Bad Homburger Wohnung gewesen. Seiten 3 und 10

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