Entführungshorror mit Groteske

Bundesanwaltschaft beginnt Plädoyer im Prozeß gegen Souhaila Andrawes  ■ Von Elke Spanner

Wie ein zusammengesetztes Puzzle breitet die Bundesanwaltschaft (BAW) die Geschichte von Souhaila Andrawes im Prozeßsaal aus – und beschreibt damit nach Worten des Bundesstaatsanwaltes Volker Homann „eines der dramatischsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Das müsse nun mit den Mitteln des Strafrechts abgeschlossen werden. Vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht startete Homann gestern sein Plädoyer im Prozeß gegen die Palästinenserin, die 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführte. Heute wird die Bundesanwaltschaft verkünden, welche Strafe sie letztlich für die einzige Überlebende des „Kommandos Martyr Halimeh“ fordert.

Ohne sich juristisch schon auf ein „schuldig“ oder „unschuldig“ festzulegen, deutete die BAW bereits an, daß sie Andrawes auch für den Tod des damaligen „Landshut“-Piloten Jürgen Schumann zur Verantwortung ziehen will. Bevor der Anführer des vierköpfigen Kaperungskommandos Akacha den Flugkapitän hinrichtete, hätten sich die EntführerInnen abgesprochen. Sie wären sich einig gewesen, daß Schumann erschossen werden sollte. Andrawes habe die Exekution erwartet, sogar die Passagiere dafür in Schach gehalten. Daß ihr nun, obwohl Andrawes es immer bestritten hatte, die Beteiligung an diesem Mord zur Last gelegt werden soll, könnte dazu führen, daß die Angeklagte zu einer lebenslangen Freiheitstrafe verurteilt wird.

Homann beschreibt die Tage an Bord der „Landshut“ als „Nebeneinander von Horror und Groteske“. Bei 60 Grad Hitze hätten die Passagiere gefesselt sitzen müssen, ständig von Akacha mit ihrer Hinrichtung bedroht. Inmitten dieses Szenarios habe der Entführer zum Geburstag einer der Stewardessen eine Torte bestellt und Sekt ausgeschenkt.

In seiner Einleitung, die Homann der detaillierten und facettenreichen Schilderung dessen, was sich im Oktober 1977 abspielte, vorwegschickt, läßt er andererseits anklingen, daß alle Seiten der Geschichte Andrawes beleuchtet und abgewogen werden müßten. Trotz der langen Strafe, die sie zu erwarten habe, müsse Andrawes auch eine Perspektive auf ein späteres Leben in Freiheit aufgezeigt werden.

So hebt er in Abgrenzung von RAF-Prozessen die „gepflegte Prozeßführung“ in Hamburg hervor. Die diene der Angeklagten sicher mehr, als die aus Parallelverfahren bekannten Angriffe gegen die Justiz – eine Anspielung auf die aktuellen Verfahren gegen Monika Haas und Birgit Hogefeld. Die Qual der Konfrontation mit den von ihr begangenen Grausamkeiten habe Andrawes auch körperlich gezeichnet, beobachtet er und schließt ab mit den Worten: „Die Dicke“ aus dem Flugzeug gibt es auch im übertragenen Sinne nicht mehr“.