Vielstimmiger Koalitionschor im Steuerstreit

■ Bundeskanzler mahnt FDP zur Disziplin. Nordrhein-Westfalens FDP-Chef legt sich weiterhin quer. Chef der CSU-Landesgruppe schlägt FDP-Finanzminister vor

Bonn (taz/AFP) – Im Streit um die Milliardenkürzungen im Etat 1997 hat Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Koalitionspartner FDP zur Disziplin gemahnt. Dies sei keine Zeit für Profilierungsversuche, sagte Kohl gestern in Bonn. Die Etatvorschläge müßten von der Koalition gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden. Vor dem CDU-Bundesvorstand wies der Kanzler laut CDU-Generalsekretär Peter Hintze die „Drohgebärden“ einzelner FDP- Politiker zurück.

Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Jürgen Möllemann hatte angekündigt, die zwölf Bundestagsabgeordneten seines Landesverbandes würden dem Etat im Parlament nicht zuzustimmen, falls die zweiprozentige Absenkung des Solidarzuschlags 1998 nicht fixiert werde. Möllemann bekräftigte gestern sein Junktim. Union und FDP deuteten unterdessen weitere Einsparungen im Verteidigungsetat an.

Der CDU-Bundesvorstand sprach Finanzminister Theo Waigel (CSU) demonstrativ das Vertrauen aus. Kohl sagte: „Waigel macht seinen Job gut und hat jede Unterstützung und jedes Vertrauen verdient.“ Der Finanzminister selbst sagte in München, alle Haushalte würden ihren Beitrag leisten müssen, auch beim Wehretat müsse gespart werden. Dieser werde aber „nicht in der Form“ herangezogen wie in den vergangenen Jahren. In der Vorstandssitzung der CDU wurden nach Angaben Hintzes jedoch noch keine Festlegungen getroffen, an welchen Stellen gespart werden soll. Kohl betonte, zunächst solle die Steuerschätzung Ende der Woche abgewartet werden.

Waigel spielte in München die liberale Drohgebärde herunter: „Ich kann mich nicht erinnern, daß der Herr Möllemann Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion oder der FDP-Bundespartei ist.“ Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, warnte die FDP gestern davor, sich auf Kosten Waigels zu profilieren. Wenn die Liberalen glaubten, es besser machen zu können, sollten sie das Finanzministerium übernehmen, schlug Glos vor. Im Tausch könne Waigel dann ja Außenminister werden.

Unterdessen forderte die SPD- Finanzexpertin Ingrid Matthäus- Maier im Saarländischen Rundfunk eine Ergänzungsvorlage zum Haushalt 1997. Zudem müsse der Kanzler noch in dieser Woche eine Regierungserkärung abgeben. Die Etatberatungen müßten ausgesetzt werden. Für den SPD-Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine sind Kohl und die Koalition am Ende. Es sei nicht erkennbar, wie die Regierung zu einer soliden Finanzpolitik kommen wolle, so Lafontaine gestern.