: Lieber was trinken
Uns Uwe ist Hamburg und Sechzig – und Bürgermeister wird er nun auch noch ■ Von Folke Havekost
Gemurmel erfüllte das Rathausfoyer, bevor Uns Uwe auf die Brücke trat. Endlich mal wieder war das Volk in den Polittempel geströmt, um an den Geschicken der Stadt Anteil zu nehmen. Und gespannt wartete die Masse das nicht endenwollende Senatsfrühstück ab. Vereinzelt wurden gar Holsten-Dosen aufgezischt, um die weihevolle Atmosphäre zu verstärken.
Dann der Moment, auf den alle gewartet hatten. Zwar stieg kein Rauch auf, zwar störte ein Orchester die weihevolle Stille. Doch wovon lange gemunkelt wurde, konnte schließlich – pünktlich zu Uns Uwes 60. Geburtstag – offiziell bestätigt werden: Herr Seeler wird Bürgermeister.
Auf dem vormittäglichen Presseempfang hatte HSV-Vizepräsident Volker Lange den Wechsel bereits angedeutet. „Soviel Medienrummel herrscht sonst nur, wenn die Rolling Stones kommen oder ein Bürgermeister-Wechsel ansteht“, zitierte der Politinsider einen ahnungsvollen Journalisten. Seelers Amtsvorgänger Henning Voscherau hatte den Gerüchten neue Nahrung gegeben, als er seinen Nachfolger mit den Worten „Uwe ist Hamburg“ ins Spiel brachte. Zum Frühstück gab es dann übrigens Filetsteak und nicht, wie von Uns Uwe bevorzugt, Labskaus – ein letzter Wunsch des scheidenden Senatsvorsitzenden.
14.47 zeigten die Uhren, als Uns Uwe vors Volk trat, begleitet von seinem DFB-Präsidenten Egidius Braun und seinen beiden Ehrenspielführer-Kollegen Fritz Walter und Franz Beckenbauer. In seiner etwa zehnminütigen Antrittsrede zeigte er sich „tief bewegt und lieb gerührt“ von seinen Anhängern, die das Rathausfoyer überfüllten. Immer wieder durch Jubel, Klatschen und Sprechchöre unterbrochen, entschuldigte sich Uns Uwe für seine – mutmaßlich durch die dramatischen Ereignisse während des Brunches – lädierte Stimme: „So laut kann ich schon gar nicht mehr reden.“
Seinen Journalisten verkündete Uns Uwe auf dem Presseempfang sein kurzfristiges Programm – unsportlich, aber pragmatisch: „Wir sollten heute nicht so viel reden, sondern vielmehr ein bißchen was trinken.“ Ob Uns Uwe seinem HSV in Doppelfunktion weiterhin als Präsident zur Verfügung stehen wird, ist noch unklar. Ohne Zweifel steht dem aufopferungsvollen, bescheidenen, ehrlichen, an- und vor allem bodenständigen Jubilar (“Da mach' ich nicht viel Gedöns um.“) angesichts des Sparetats seiner Hansestadt vor einer schweren Aufgabe, die ihm von seinem HSV allerdings bekannt ist.
Sicher dürfte aber sein, daß Uns Uwe den Verlockungen eines seiner Anhänger widersteht, der mit der Parole „Uwe für Clinton“ Aufmerksamkeit erheischte. So bodenständig. Aber vielleicht sollten wir gar nicht so viel reden, sondern lieber ein bißchen was trinken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen