Metaller fürchten Vertrauensverlust

■ Appelle und höhere Gerichte sollen gegen Zweifel helfen

„Der Werftenkrise darf keinesfalls eine Vertrauenskrise gegenüber den Gewerkschaften folgen“, appellierte gestern inständig die Bremer und Bremerhavener Spitze der IG Metall. Aus gutem Grund. Angesichts jüngster Arbeitsgerichtsurteile, die die rechtliche Konstruktion der Überlebenslösungen für die Bremer Vulkan-Töchter in Frage stellen, bezweifeln ehemalige Vulkan-Beschäftigte, daß die Gewerkschaft sie gut beraten habe (taz vom 1./2.11.96). Seit das Bremerhavener Arbeitsgericht die Entlassung mehrerer Schichau-Seebeck-Werftarbeiter rückgängig gemacht hat, die nicht freiwillig in die Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft gewechselt waren, rätseln Ex-Vulkanesen, ob sie ihren Arbeitsvertrag mit der Pleitewerft auch besser behalten hätten – oder ob sie den jetzt geschlossenen Vertrag per Anfechtung rückgängig machen können. Das Potential dazu wächst, seit 600 Leute per blauem Brief von der Mypegasus-Leitung erfuhren, daß es für sie nach einem Jahr Mypegasus keine Beschäftigungs-Chance mehr gibt. „Die werden jeden Strohhalm ergreifen“, befürchtet der Bremer IG Metall-Bevollmächtigte Dieter Reinken.

Gegen die Anfechtung bringen die Metaller zuvorderst moralische Argumente. Anfechter, „angeführt von Figuren aus meinem Berufsstand, die herumschnüffeln“, untertunnelten, was erst durch die Auffanggesellschaft ermöglicht wurde, sagte der Tübinger Gewerkschaftsanwalt Jörg Stein. „Unsolidarisch“ sei das. Und: „Wer jetzt klagt und möglicherweise sogar gewinnt, belastet nur die angeschlagenen Betriebe.“ Außerdem würde eine solche Klage keinen Arbeitsplatz schaffen. „Wer durchkommt, kriegt Kündigungen nach der neuen Insolvenzordnung und steht am 28. Februar auf der Straße.“ Selbst die nachträgliche Lohnzahlung sei zu umgehen: „Wenn man das Verfahren hinzieht und vorher die übertragene Sanierung hat, erklärt man Mangel an Masse.“ Dann gucke der Kläger in die Röhre, selbst wenn er Recht bekommen hat.

Alle bisherigen Kündigungsklagen – bis auf Verfahren gegen die Lloyd-Werft (weil im Vergleich) – hält Stein für fruchtlos. Auch die Gerichtssicht, daß die IG-Metall mit der Mypegasus die umstrittene Leiharbeiterschaft zu verantworten habe, teilt er nicht. Die nachgelagerte Verleihgesellschaft der Verwalter sei vielmehr eine Auslagerung im Sinne des „outsourcing“. Diesem Argument sei das Bundesarbeitsgericht früher gefolgt.

Nur für phantasievollere Ratschläge etwa zur sozialen Absicherung wäre man dankbar gewesen, räumten gestern Betriebsräte ein. „Aber im April half uns niemand.“ Da sei man den Weg zum Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen gegangen. ede