: Für politische Zwecke nicht zu vereinnahmen
Familie El-Omari, Nebenklägerin im Lübecker Brandprozeß: Unschuld Safwan Eids noch nicht erwiesen ■ Von Jan Feddersen
Die Mitglieder der libanesischen Flüchtlingsfamilie El-Omari verfolgen den Prozeß gegen ihren Landsmann Safwan Eid still. Assia El-Omari, die Mutter, die immer ein weißes Kopftuch trägt und auf freundliche Fragen tonlos weint, hat nach dem ersten Verhandlungstag den Heikendorfer Verwaltungsjuristen Wolfgang Clausen gebeten, sie als Nebenkläger zu vertreten. Das verleihe ihrem Anliegen mehr Gewicht, hat man ihr gesagt. Ihr Anliegen: „Die Wahrheit über den Brand.“
Die ihr zur Nebenklage geraten haben, gehören zum Kreis jener Prozeßbeobachter, die am vorigen Sonnabend durch Lübeck demonstrierten, um der Öffentlichkeit kundzugeben, was sie glauben: Daß der Prozeß gegen Safwan Eid, angeklagt, am 18. Januar dieses Jahres den Brand im Flüchtlingsheim an der Hafenstraße gelegt zu haben, nichts als eine „bewußte Verschleierung der Tatsachen“ (Flugblattext) ist.
Doch die El-Omaris weigern sich, diese Annahme vor den letzten Zeugen- und Gutachteraussagen zu teilen. Deshalb unterschrieben sie nicht die „Gemeinsame Erklärung der Überlebenden“. Damit hätten sie sich festgelegt. Und zwar auf den Satz: „Safwan ist nicht der Täter.“ Folglich nahmen Assia und Khalil El-Omari, die Eltern, und ihre Kinder Khaled, Walid, Nada, Nisrin, Salwa, Salam und Hanan nicht an der Demo teil: „Sonst wären wir nicht glaubwürdig geblieben“, so Khaled El- Omari höflich. Währenddessen habe er ferngesehen, die Schwestern Schulaufgaben erledigt.
Der 26jährige, der im Libanon Politische Wissenschaften studierte, wüßte es besser. Doch er darf nichts sagen; erst von heute an sollen die früheren Bewohner des Asylbewerberheimes im Zeugenstand selbst zu Wort kommen. Seine Familie hatte am 4. Juli selbst bei der Sonderkommission zur Brandkatastrophe darum ersucht, weitere Aussagen machen zu können – zwei Tage, nachdem Safwan Eid aus der Untersuchungshaft entlassen werden mußte.
Was bei diesen Vernehmungen herauskam, werden die weiteren Prozeßtage ergeben. Sicher ist allerdings schon jetzt, daß es sich beim Haus an der Hafenstraße keineswegs um ein alternatives Asylbewerber-Bullerbü gehandelt hat. Im Gegenteil: Assia El-Omari wurde bei mindestens einer Gelegenheit von einem Mitglied der Familie Eid in der Gemeinschaftsküche bepöbelt. Gerade das Verhältnis zwischen beiden libanesischen Familien war nicht störungsfrei – kein Wunder, daß es am 25. September im Gerichtssaal zum Eklat zwischen ihnen kam. Damals hatte Marwan Eid, Vater des Angeklagten, die El-Omaris mit den Worten „Schämt euch, ihr Hunde“ beschimpft. Ihm paßte nicht, daß seine Landsleute sich tatsächlich als Nebenkläger verstehen und nicht nur als symbolische Helfer der Verteidigung.
Walid El-Omari, der stets zwischen seiner Mutter und Rechtsanwalt Clausen sitzt, beruhigte damals seine Familie, jetzt bloß nicht nervös zu werden: „Wir wollen nur die Wahrheit wissen. Wir sind vor einem deutschen Gericht.“ Und sein Bruder Khaled rief laut zu Marwan Eid hinüber: „Wir wollen hier herausfinden, wer für den Tod unseres Bruders Rabie verantwortlich ist.“
Warum sie erst am 4. Juli angefangen haben, über die gar nicht so friedlichen Zustände im Flüchtlingsheim zu berichten, will er nicht erläutern: „Das klärt alles das Gericht.“ Sie trauen der Verteidigung nicht. Hat nicht Marwan Eid von einer „Bombe“ berichtet, die er angeblich bereits um 2.30 Uhr gehört hat – also eine Stunde vor dem Ausbruch des Feuers? „Ich kann nicht glauben, daß Herr Eid diesen lauten Knall gehört hat. Hätte es in dieser Nacht einen solchen Knall gegeben, wäre ich davon mit Sicherheit aufgewacht“, sagt die Mutter.
Das nötigend gemeinte Angebot des sogenannten Antirassistischen Telefons aus Hamburg, sich von ihrem Rechtsvertreter zu trennen, weil der zu viele Fragen im Sinne der Anklage stelle, lehnten sie ab: „Wir sind zufrieden mit Herrn Clausen“, sagt Khaled El- Omari, „einen anderen wollen wir nicht.“ Keinen jedenfalls aus der Hamburger Szene der linken Rechtsanwälte, für die schon festzustehen scheint, daß das Feuer nur durch Nazis, also durch die vier Grevesmühlener Jugendlichen gelegt worden ist: Diesem alternativen Zeugenschutzprogramm wollen die El-Omaris sich nicht unterwerfen.
Insofern könnte von heute an die Forderung des „Informations- und Kommunikationszentrums Afrika“ (Sokoni) aus Hamburg, die „Überlebenden des Brandanschlags von Lübeck müssen gehört werden“, in einem anderen Sinne in Erfüllung gehen: Nicht als Erzählung darüber, wie einmütig alle einstigen Hausbewohner hinter Safwan Eid stehen, sondern als Bericht über Konflikte und Streitigkeiten in ihrer bedrängten Situation als abgelehnte oder höchstens geduldete Asylbewerber.
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