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„Zusammen Spaß haben“

■ Bodybuilding soll's richten: Die Clique „Lüssumer Heide“ und ihr Prügelknabe waren beim „Täter-Opfer-Ausgleich“ in Bremen-Nord

hre Hobbies sind Fußball und „Spaßprügeln“. (Spaßprügeln heißt: sich ernst hauen – außer ins Gesicht – sich nach dem Kampf die Hand geben, eine rauchen und nach Hause gehen.) Die Clique von Arthur, Davut und Yavuz (alle 16) wohnt in der Lüssumer Heide und heißt auch so. Bei ihnen gibt es nach eigenen Aussagen keine Drogen und kein Klauen, („manche geben auch von selbst etwas“). Einige haben ein Messer, alle gebrauchen ihre Fäuste. Im Sommer hat die Clique im Freibad Blumenthal einen 15jährigen zusammengeschlagen. Beim „Täter-Opfer-Ausgleich“ im Bürgerhaus Vegesack trafen sich Täter und Opfer jetzt wieder. (Der Name des Opfer ist geändert.)

taz: Ihr wart beim Täter-Opfer-Ausgleich. Was heißt das?

Yavuz: Wir sind die Täter, er, Martin, das Opfer.

Davut: Wir versuchen, uns ohne Polizei, ohne Anzeige zu vertragen und die Sache zu klären.

Welche Sache ist denn passiert?

Davut: Das war im Schwimmbad. Da haben die (Martin und sein Freund, d.R.) ein Lied über die Schwester von einem von uns gesungen. Dann sind wir hin, haben die geschlagen. Dann sind die weggelaufen, wir hinterher. Ihn haben wir gekriegt, den haben wir auf den Boden geworfen und verprügelt. Der andere konnte abhauen.

Arthur: Die Schwester ist ein bißchen pummelig. Und die haben das Lied: ,Dicke haben dicke Beine' gesungen.

Wie erzählst Du das?

Martin: Auch so. Wir haben das Lied gesungen, aber nicht die Schwester gemeint. Mein Freund hat dann den Bademeister gerufen, der ist dazwischengegangen. Dann kamen die nochmal und wollten Zigarettengeld. Hatten wir nicht. Dann ist mir einer in den Rücken gesprungen. Dann haben wir die Polizei gerufen.

Yavuz: Da mußten wir dann Aussage machen. Dann bekamen wir den Brief vom Täter-Opfer-Ausgleich. Wir sind hin und haben Vorschläge gemacht, wie wir das klären könnten.

Welche Vorschläge?

Davut: Der sollte so ein Hobby haben mit Modellflugzeugen, stimmt's? Einer von uns meinte, ob wir so eines kaufen könnten. Aber das war zu teuer. Jetzt wollen wir spätestens nächste Woche zusammen Bodybuilding machen und Schwimmen gehen.

Das hört sich routiniert an. Kanntet Ihr den Täter-Opfer-Ausgleich schon vorher?

Davut: Ja.

Wie oft wart Ihr da schon?

Yavuz: So drei, vier Sachen.

Was für Sachen?

Yavuz: Bei mir waren das zwei Körperverletzungen und eine Erpressung. Angeblich. Die läuft noch.

Warum bist Du zu dem Gespräch gekommen?

Martin: Ich dachte schon, das bringt etwas. Zum Vertragen. Nur bei einem war ich nicht sicher, der hat die ganze Zeit rumgekaspert.

Was habt Ihr denn miteinander geredet?

Arthur: Wir haben uns nochmal alles erzählt, die Meinungen miteinander verglichen.

Martin: Und dann haben wir noch gesagt, wie wir uns gegenseitig einschätzen.

Und?

(Schweigen)

Yaruz: Jetzt fällt uns nicht mehr ein, was wir da alles gesagt haben.

Martin: Es ist besser, man verträgt sich. Hinterher ist das geklärt. Bei einer Anzeige ist der Streit ja nicht beendet.

Ist Euer Streit jetzt beendet?

Yavuz: Ja. Aber er wird erst richtig beendet, wenn wir Bodybuilding und Schwimmen waren.

Warum?

Yavuz: Jetzt ist 95 Prozent davon beendet. Wir werden uns noch besser kennenlernen, wenn wir zusammen unseren Spaß haben.

Denkt Ihr so, oder ist das nur der Deal, der in dem Schlich-tungsvertrag steht?

Davut: Wir denken auch so.

Hast Du da auch Lust drauf?

Martin: Ja.

Wird sich jetzt irgendetwas verändern? Schlagt Ihr weiter zu?

Davut: Nein. Ich will später Polizist werden. Ich mach zuerst eine Maurerlehre und danach kann ich auch mit dem Dings (dem Abschluß, d.R.) zur Polizei.

Und Ihr?

Javuz: Ich werd bestimmt keine Lust mehr kriegen, zu schlagen. Ich hab schon genug Sachen am Hals.

Jetzt ist es vorbei?

Javuz: Das kann man nicht so sagen. Aber man muß auch an seine Zukunft denken. Und wir haben schon genug Schlimmes getan.

Wer hat das so gesagt?

Javuz: Wir. Man kennt uns auch nicht so gut. Wir sind hilfsbereit. Was sind wir noch?

Davut: Freundlich.

Arthur: Eigentlich so.

Glaubst Du das den Dreien?

Martin: Ja. – Ich weiß nicht, es kommt mir einfach so vor, als ob ich das glauben könnte.

Gespräch: Silvia Plahl

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