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„Demagogische Inszenierung“?

■ CDU will die geplante Wehrmachts-Ausstellung in der Unteren Rathaushalle verhindern

Die Bremer CDU will die geplante Ausstellung in der unteren Rathaushalle über die Rolle der Deutschen Wehrmacht beim Holocaust verhindern. Heute soll der CDU-Landesvorstand, und am Montag die CDU-Fraktion entsprechende Beschlüsse fassen. Dann will Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) angehen: In der „guten Stube Bremens“ solle die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, dargestellt am Ostfeldzug, nicht stattfinden. CDU-Geschäftsführer Guido Nierman sekundiert: Die Ausstellung sei „wissenschaftlich nicht fundiert“, eine „demagogische Inszenierung“; alle Wehrmachtssoldaten würden pauschal verunglimpft und als Verbrecher apostrophiert, wo doch die meisten gezwungen waren, an die Front zu gehen. Gesehen haben übrigens weder Neumeyer noch Niermann die Ausstellung, die, so die Planungen, am 28. Mai nächsten Jahres in der Unteren Rathaushalle eröffnet werden soll.

Konzipiert wurde die Wehrmachts-Ausstellung vom renommierten Hamburger Institut für Sozialforschung, geleitet von Jan-Philipp Reemtsma. „Ärger mit der Ausstellung hat es in allen Städten gegeben“, sagt Hannes Sieg, Vertriebschef der Hamburger Edition, dem Verlag des Instituts und Herausgeber des Ausstellungskataloges. In Frankfurt etwa werde die Ausstellung in der Paulskirche gezeigt – unter „ausdrücklichem Protest“ von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Und in Klagenfurt habe es „massive Anschlagsdrohungen“ gegeben. In der Ausstellung gehe es „explizit um den Ostfeldzug“ und keineswegs darum, alle Soldaten zu Verbrechern zu erklären, so Sieg.

In der Großen Koalition bahnt sich unterdessen Ärger an. Die SPD hat sich eindeutig dafür ausgesprochen, die Ausstellung wie geplant zu zeigen. Horst Isola, Mitglied der Kulturdeputation, empfindet es als einen „Skandal, wenn es der CDU gelänge, die Ausstellung zu verhindern“. Man müsse „aufräumen mit der Legende, die Wehrmacht habe sich sauber und anständig verhalten“, so Isola: „Das Verhalten der CDU ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten.“ Für SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Karin Röpke ist es unverständlich, daß angesichts der Tradition des Rathauses gerade diese eine Ausstellung behindert wird: „Das Rathaus steht vielen Veranstaltern zur Verfügung.“

Herbert Wulfekuhl, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung und einer der Initiatoren des Projekts, hat sich die Wehrmachts-Ausstellung „sehr genau angeguckt“. Wulfekuhl hält die Präsentation der Ausstellung für „vertretbar“, die gezeigten Fotos und Faksimiles seien „historisch verbürgt“. Allenfalls methodisch-didaktisch sei die Schau ein bißchen „mühselig“.

Wulfekuhl hat Rückhalt vom Beirat der Landeszentrale für politische Bildung. Der hat sich hinter das Projekt gestellt. Und für die geplante Durchführung der Ausstellung sei er auch von Senatorin Kahrs schriftlich ermuntert worden. Und Herbert Wulfekuhl zitiert Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz. Der hatte die Fotos aus der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem, die derzeit im Haus der Bürgerschaft zu sehen sind, die „beste Waffe gegen neue Barbarei“ genannt. Wulfekuhls Argument: Warum sollte das nicht auch für die Dokumente der Wehrmachts-Ausstellung gelten?

Alexander Musik

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