: Heißes Eisen Dienstzeitreform
Senat will flexiblere Arbeitszeiten bei der Polizei einführen. Polizeigewerkschaft GdP und Hauptpersonalrat gegen Achtstundenschicht ■ Von Plutonia Plarre
Der Beschluß ist kaum mehr als eine Willensbekundung, aber er rührt an einem Tabu. Bei der Festlegung des Haushalts für 1997 hat der Senat am Mittwoch beschlossen, daß der Zwölfstundenschichtdienst bei der Polizei abgeschafft werden soll. „Es soll zu flexibleren Arbeitszeiten übergegangen werden. Eine Möglichkeit ist der Achtstundendienst“, referierte Innensenatssprecherin Fancine Jobatey das Protokoll.
Die Grünen fordern die Reform der Arbeitszeiten der Polizei schon lange, weil das Schichtsystem den Steuerzahler teuer zu stehen komme. Auch der Landesrechnungshof hat schon 1993 darauf hingewiesen, daß durch eine Reduzierung der Zwölfstundenschicht täglich 2.500 Arbeitsstunden eingespart werden könnten. Laut Rechnung der bündnisgrünen Haushaltsexperten sind dies in bare Münze umgerechnet 60 Millionen Mark im Jahr. Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und den Gesamtpersonalrat – beide sind strikte Gegner der Reform – ist das eine „Milchmädchenrechnung“. Doch den Vorsitzenden der GdP, Eberhard Schönberg, ließ der Senatsbeschluß gestern vollkommen kalt: „Ich bin sicher, daß die Achtstundenschicht nicht kommen wird.“
Immer wenn die Dienstzeiten der Polizei in den letzten Jahrzehnten verändert wurden, gab es heftigen Widerstand. „Alte Gewohnheiten gibt man nicht gern auf, weil man dann seine persönliche Lebensweise neu ordnen müßte“, faßte ein Polizist den Tenor auf den zahlreichen Informationsveranstaltungen zusammen.
Von der Reform wären 5.500 Beamte und Angestellte des Basisdienstes bei der Schutzpolizei betroffen. Die Belegschaft eines Polizeiabschnittes ist in vier Gruppen (A bis D) unterteilt und versieht in Zwölfstundenschichten die wöchentlichen Rund-um-die-Uhr- Dienste. Die A-Schicht beispielsweise arbeitet Sonntag bis Montag von 19–7 Uhr, der Rest des Montags und der Dienstag sind frei. Mittwoch von 7–19 Uhr, Donnerstag bis Freitag 19–7 Uhr, Freitag und Samstag sind frei. Sonntag von 7–19 Uhr. Weil so statt der vorgeschriebenen wöchentlichen Arbeitszeit von 39,5 Stunden 42 Stunden zusammenkommen, werden die Überstunden mit 15 Freischichten pro Jahr abgegolten.
Bei einer Achtstundenschicht könnte der wöchentliche Schichtdienst nur von fünf Gruppen bewältigt werden. Diesmal würde die Gruppe A Montag bis Dienstag und Dienstag bis Mittwoch von 22.45–7 Uhr arbeiten. Der Rest des Mittwochs und der Donnerstag wären frei. Freitag von 10.15–20 Uhr, Samstag und Sonntag jeweils von 14.45–23 Uhr, Montag frei. Freischichten gäbe es nur noch als Ausgleich für Wochenenddienste.
Die Befürworter des Achtstundenmodells bei der Polizei glauben, daß die Effektivität dadurch gesteigert werden könnte. Die Beamten seien nicht so geschlaucht, wie nach den langen Dienstzeiten und könnten aufgrund des durch die 5. Gruppe geschaffenen zeitlichen Überhangs an einem Wochentag sogar außerhalb des Schichtdienstes Spezialaufgaben nachgehen. Von Personaleinsparung könne jedoch keine Rede sei. Im Gegenteil: Um eine 5. Schicht aufzubauen, müsse das Führungspersonal aufgestockt werden, heißt es.
Eine Erprobung des Modells in einigen Abschnitten, wie es das Parlament schon vor Jahren beschlossen hat, scheiterte am Hauptpersonalrat. Jener rief Anfang 1995 die Einigungsstelle für Personalvertretungssachen an und erreichte, daß am Modell nachgebessert wurde. Doch auch das neue Modell wurde bislang nicht erprobt. Zur Begründung hieß es, erst solle das Ergebnis der Consultingfirma Mummert und Partner abgewartet werden. Die Firma durchforstet die Polizei seit geraumer Zeit auf ihre Wirtschaftlichkeit.
Im Gegensatz zur GdP sind sich die Befürworter bei der Polizei sicher, daß die Achtstundenschicht kommen wird. Die Zwölfstundenschicht „ohne Pause“ sei aus medizinischer Sicht nicht tragbar. Wolfgang Wieland von Bündnis 90/Die Grünen bringt es auf den Punkt: „Überall wird acht Stunden gearbeitet. Nur in einem kleinen gallischen Dorf kämpft eine kleine Gewerkschaft für die Zwölfstundenschicht.“
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