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Bonbons und Barbecue

Rund 150 internationale Krisenberichterstatter warten in Ruanda auf Storys und Bilder  ■ Aus Goma Caroline Schmidt-Gross

Das erste Opfer ist ein schwedischer Kameramann. Er wird in der schwer umkämpften ostzairischen Stadt Goma von einer Kugel am Bein getroffen. Die verwackelten Bilder der zu Boden gehenden Kamera sind noch am selben Tag weltweit auf CNN zu sehen. Der Beweis: Hier ist der Einsatz zur Zeit lebensgefährlich.

Seit über einer Woche befinden sich rund 150 internationale Pressevertreter in Ruanda, um über die Kämpfe zwischen den Tutsi-Rebellen Banyumalenge, die von der ruandischen Armee unterstützt werden, und den zairischen Soldaten zu berichten. Der erste große Schub von sogenannten Krisenberichterstattern trifft Freitag, den 31. Oktober, auf dem Flughafen in Nairobi ein. Die Maschine in die ruandische Hauptstadt Kigali ist komplett ausgebucht. Berge von Gepäck: Satellitentelefone, schußsichere Westen und Schnittplätze müssen verstaut werden. Viele der Journalisten, einige kampferprobt im Safari-Outlook, kennen sich noch vom letzten Einsatz in Ruanda 1994, als über 800.000 Menschen bei Massakern zwischen Hutu und Tutsi ums Leben kamen.

Die erste Hektik entsteht bei der Einreise auf dem Flughafen von Kigali. Für die Großen wie NBC oder Reuter ist bereits alles arrangiert. Sie werden abgeholt und direkt ins „Mille Collines“, das beste Hotel vor Ort, gebracht. Die Preise steigen an diesem Tage stündlich, von 140 auf schließlich 190 Dollar pro Nacht. Wenig später ist das Luxushotel komplett. Der Rest der Journalisten bucht ein Zimmer im „Umubano-Meridien“. Auch dort kostet die Nacht statt 90 nun 130 Dollar.

Beim abendlichen German Buffet mit Sauerkraut und Rollbraten werden alte Kriegsgeschichten ausgetauscht. Im Diningroom speist man bei Kerzenlicht und Klaviermusik mit Ausblick auf die malerischen Hügel Kigalis und Blick auf den Swimmingpool. Auch die Mitglieder einer gleichzeitig stattfindenden Unicef-Konferenz lassen es sich schmecken.

Die über eine Million meist Hutu-Flüchtlinge sind zwar in Goma vom Hunger bedroht, aber das ist ja noch weit weg. Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen müssen wieder Fahrer und Auto organisiert werden. CNN bestimmt den Markt. Sie zahlen angeblich 300 Dollar pro Tag. Nach dreistündiger Fahrt ist Giseny erreicht. Der kleine Ort an der Grenze zu Zaire ist für afrikanische Verhältnisse ein nobler Badeort mit fast mondäner Atmosphäre. An diesem Wochenende ist Giseny jedoch kein Ferienparadies, sondern Drehscheibe für Journalisten und evakuierte Mitarbeiter verschiedener internationaler Hilfsorganisationen. Die Einfahrt zum Luxushotel „Izuba“ wird von 40 Jeeps des UNHCR, dem Roten Kreuz sowie der Ärzte ohne Grenzen blockiert. Jetzt ist jeder Kontakt zu den Menschen in und um Goma abgeschnitten.

Das „Izuba“-Hotel ist im Nu zu ebenfalls horrenden Preisen ausgebucht. Die einzige Telefonleitung der ganzen Stadt ins Ausland ist pausenlos besetzt, die Einheiten sind teuer. Der Manager freut sich jedoch und macht das Geschäft seines Lebens – jedenfalls bis zur nächsten sogenannten humanitären Katastrophe in dieser Region. Da will auch der Staat nicht tatenlos zusehen. Kurzerhand wird von jedem Journalisten eine Akkreditierung verlangt. Zu erhalten in der Hauptstadt Kigali – für 55 Dollar.

Im Informationsministerium in Kigali herrscht eine Atmosphäre wie beim Sommerschlußverkauf. Die Formalitäten dauern Stunden. Dabei lassen sich die Journalisten wie eine Schulklasse durch die Gegend kommandieren. Und dann geht es wieder zurück nach Giseny. Das lange Warten beginnt. Wann wird die Grenze nach Zaire geöffnet? Es heißt, die Tutsi-Rebellen haben die Oberhand gewonnen. Die internationale Presse brennt darauf, die Grenze zu passieren.

Nach zwei Tagen ist es soweit. Eine endlose Schikane beginnt. Pässe werden eingesammelt, Autos gefilzt, Akkreditierungen gecheckt. Den ganzen Morgen braten die Journalisten in der Sonne, bis sie gegen Mittag in das Stadt- Zentrum von Goma vordringen können. Selbst die berühmteste Kriegsreporterin der Welt, Christiane Amanpour von CNN, ist plötzlich für einige Stunden mit dem Hubschrauber eingeflogen worden, um vor Ort einen Aufsager zu machen. Aufregung macht sich breit. Wird geschossen? Gibt es Leichen zu sehen? Können die Medienvertreter in die angeblich inzwischen leeren Flüchtlingslager vordringen? Die Stadt bietet ein Bild der Verwüstung. Ein Reporter verteilt Bonbons an die hungrige Bevölkerung. „Wann wirst du deine Geschichte absetzen?“ fragt man sich gegenseitig. Heute ist klar: Jede Story wird von den Heimatredaktionen gedruckt.

Am Tage Zwei nach Öffnung der Grenzen pilgert die Journalistenschar erneut in die eroberte Stadt Goma. Nur die wenigsten registrieren, daß weder Vertreter der NGOs noch von Ärzte ohne Grenzen durchgelassen werden. Die Tutsi-Rebellen lassen nur Journalisten passieren. Die meisten Journalisten sind inzwischen gelangweilt. Noch immer ist kein einziger der eine Million Flüchtlinge zu sehen. Das Prickeln ist vorbei, und das Massensterben in den Wäldern von Zaire, wohin viele der Menschen geflüchtet sind, bleibt unsichtbar und unvorstellbar.

Kaum einer wird an diesem Tag seine Geschichte los. War ja nix Neues los. Amerikanische Journalisten organisieren für den Abend am Pool ein Barbecue. Die eine Million Flüchtlinge, die nur wenige Kilometer vor sich hin siechen, sind längst vergessen.

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