: Der Abgang eines Schlächters
Der serbisch-bosnische General Ratko Mladić ist abgesetzt. Damit reagiert die serbische Führung auch auf den Druck der eigenen Bevölkerung. Denn der geht es wirtschaftlich schlecht ■ Aus Lubljana Erich Rathfelder
Mit den Worten: „Ich bedauere sehr, General Mladić wegen der Einstellung eines Teils der internationalen Gemeinschaft ersetzen zu müssen“, traf die Präsidentin der sogenannten Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina, Biljana Plavšić, am vergangenen Samstag ihre bisher wohl folgenschwerste Entscheidung. Die Nachfolgerin von Radovan Karadžić setzte den bisherigen Oberkommandierenden der serbisch-bosnischen Armee, General Ratko Mladić, und 80 weitere hohe Offiziere ab, darunter den Stellvertreter Milan Gvero und Stabschef Manojlo Milovanović. Damit scheint die Ära der Herrschaft der als Kriegsverbrecher gesuchten Serbenführer Karadžić und Mladić beendet.
Der Präsidentin ist diese Entscheidung sicher nicht leicht gefallen. Denn mit Ratko Mladić verbindet sie seit dem Aufbruch der serbischen nationalistischen Extremisten in Bosnien die ideologische Grundorientierung. Schon in den ersten Tagen des Krieges im April 1992 erklärte Plavšić offen ihre Sympathie für jene serbischen Militärs und paramilitärischen Truppen, die in Ostbosnien brutal gegen nichtserbische Zivilisten vorgegangen waren.
Auch später verhielt sie sich gegenüber Mladić loyal und zeigte sich noch nach dem Massenmord in Srebrenica als Mitglied der serbisch-bosnischen Führung an der Seite des Generals, der für die Verbrechen der serbisch-bosnischen Armee seit 1992 verantwortlich ist. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß Plavšić sich auch weiter weigert, die Auslieferung der Kriegsverbrecher an das Tribunal in Den Haag in die Tat umzusetzen. Es verwundert auch nicht, daß Plavšić den internationalen Druck für ihre Entscheidung verantwortlich macht. In der Tat ist dieser Druck gewachsen, seit es der Administration von Carl Bildt gelungen ist, viele Aktivitäten der internationalen Gemeinschaft besser zu koordinieren und damit gerade auf wirtschaftlichem Gebiet mit Zuckerbrot und Peitsche zu agieren.
Die Bevölkerung fordert wirtschaftliche Aktivität
Die serbisch-bosnische Führung kann nicht mehr umhin, sich zu den Wiederaufbauprojekten und den internationalen Finanzhilfen zu verhalten. Die Bevölkerung, die in der Serbischen Republik in Bosnien schlechter lebt als die Menschen im muslimisch oder kroatisch kontrollierten Gebiet, fordert zunehmend wirtschaftspolitische Aktivität. Mit der Entlassung Mladićs hat Biljana Plavšić dieser Konstellation Rechnung getragen.
Ob es Mladić gelingt, die Fäden im Hintergrund zusammenzuhalten, ist anzuzweifeln. Denn Mladić ist schon bisher keineswegs unabhängig von Belgrad gewesen: Er ist Offizier der Jugoslawischen Armee und wird direkt von Belgrad bezahlt. Ohne grünes Licht aus Belgrad und damit vom serbischen Präsidenten Slobodan Milošević hätte Plavšić gar nicht handeln können. Auch wenn Mladić und seine Umgebung protestieren und sogar, wie Gerüchte sagen, sich in einen Bunker zurückgezogen haben: Nach den bisherigen Erfahrungen mit der serbischen Machtstruktur kann sich Ratko Mladić jetzt auf Dauer nicht mehr halten.
Schon mit Dayton begann seine Basis zu bröckeln. Der Mann, der sich über die Tolpatschigkeit und Tatenlosigkeit der UNO-Truppen mokierte, dem es andererseits gelang, UNO-Kommandeure sogar als Kronzeugen für sich zu gewinnen – man denke nur an die Behauptung, die Muslime hätten sich selbst beschossen –, konnte angesichts der Machtentfaltung der Ifor-Truppen seine Rolle nicht mehr spielen. Mladić war plötzlich nicht mehr in der Lage, die Waffen seiner Armee zu schützen. Als die Ifor im Sommer 1996 versteckte Waffenlager bei Han Pijesak, seinem Heimatort, aushoben und vernichteten, wurde er geradezu „entmannt“. Seine Allmacht hatte selbst in den Augen seiner Anhänger schon damals ihre Grenze gefunden.
Kommentar Seite 10
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