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Probelauf in Pritzwalk

In Brandenburg beginnt die Verwertung der Hanfernte: Öffentlich geförderte wie kommerzielle Projekte stecken noch in den Kinderschuhen ■ Von Matthias Fink

Auf 97 Hektar, also knapp einem Quadratkilometer, brandenburgischen Bodens ist in diesem Jahr Nutzhanf angebaut worden. Bei 14 Quadratkilometern bundesweit ist das große Flächenland zwischen Elbe und Oder also unterrepräsentiert, doch verzerren einzelne große Kulturen das Bild zugunsten der Wessis. So gibt es etwa in Niedersachsen einen Betrieb mit 300 Hektar, der für holländische Abnehmer arbeitet.

Was geschieht nun mit den Pflanzen? Bei der Trennung der einzelnen Bestandteile der Hanfpflanze beginnt schon der Streit der Gelehrten. Der traditionelle Aufschluß genießt bei der Wiederentdeckung des verfemten Rohstoffs gewiß Aufmerksamkeit. Die uralten Verfahren wiederzubeleben wäre wegen des Personalaufwands nicht konkurrenzfähig. Doch auch an frühe DDR-Zeiten, als in Brandenburg noch rund 6.000 Hektar Hanffelder die Industrie belieferten, kann man nicht anknüpfen. Dies liegt nicht nur daran, daß die Fabriken nicht mehr stehen, sondern auch an neuen Spielregeln beim Umwelt- und Arbeitsschutz. „Die alten Verarbeitungstechniken kann man niemandem mehr zumuten“, weiß Pressesprecher Jens-Uwe Schade vom Potsdamer Landwirtschaftsministerium.

Im bayerischen Seeshaupt hat eine Firma den Ultraschallaufschluß entwickelt, ein Institut im schwäbischen Reutlingen schwört auf Dampfdruck. Und in Iden bei Stendal (Sachsen-Anhalt) gärt es in einer Biogasanlage. Alles, was von der Hanfpflanze dort hineingegeben wird, zersetzt sich, nur die Faser nicht. „Dabei schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe“, erklärt Mathias Bröckers, Gründer des Berliner HanfHauses und Vorkämpfer der Legalisierung von Nutzhanf. Das Biogas ist ebenso ein ökologisch wertvolles Wirtschaftsgut wie die Hanffaser.

Ganz rationell ist eine neue Erntemaschine, an deren Entwicklung die Berliner Treuhanf Investitionsgesellschaft mbH & Co. KG mitgewirkt hat. Der große Feldhäcksler schließt den Hanf gleich bei der Ernte auf. Fasern und Schäben sind schon getrennt, wenn der Bauer den Acker verläßt.

„Für die Textilherstellung braucht man allerdings weiterhin die Schwinge“, sagt Treuhanf-Geschäftsführer Matthias Schillo. Dazu liefert man bislang nach Groß Gladebrügge bei Bad Segeberg in Holstein. Dort sollen Ende des Jahres erstmals Hanfstoffe vom Band laufen, aus denen brandenburgische ArbeiterInnen Jeans machen sollen.

Bröckers warnt vor frühzeitigen Schlüssen. „Das ist dieses Jahr alles im Versuchsstadium. Da kann keiner erwarten, daß wir gleich preiswerte Produkte hinlegen.“ Schließlich ist der Hanfanbau in der BRD seit der Nachkriegszeit zum Erliegen gekommen. Von 1982 bis zum Februar dieses Jahres war er gar ganz verboten, da der „gute“ Nutzhanf sich so schlecht vom „bösen“ THC-haltigen, berauschenden Hanf unterscheiden ließ. Auch in der DDR hatte man den Hanfanbau in den siebziger Jahren aufgegeben.

Ähnlich vorsichtig bewertet auch Matthias Schillo die Erntebilanz dieses Jahres. Viele Projekte der Gesellschaft, berichtet der Treuhanf-Geschäftsführer, stünden erst auf dem Papier, anderes läuft bislang provisorisch. So orientiert sich die Treuhanf am Ideal der „dezentralen Kreislaufwirtschaft“, kann es aber natürlich nicht aus dem Boden zaubern. Daher wird heuer der gesamte Hanf, den die Treuhanf ihren Lieferanten abnimmt, in Malsch bei Karlsruhe weiterverarbeitet. Dort betreibt die Firma BaFa (Badische Faseraufbereitung) „die einzige Aufschlußanlage, die speziell für die Hanfverarbeitung konzipiert ist“, erklärt Schillo.

Von der brandenburgischen Landesregierung gefördert wird das Pilotprojekt „Zum Anbau und zur Verwertung von Nutzhanf“, zu dem sich vier landwirtschaftliche Betriebe und vier wissenschaftliche Institute zusammengetan haben. 28 Hektar umfaßt die Anbaufläche des Projekts, die in diesem Jahr abgeerntet worden ist. Die Betriebe, die bei diesem Forschungsprojekt des Landes mitmachen, liefern die Erträge an die Sadenbecker „Naturhanf GmbH“. Sie betreibt im nahe gelegenen Pritzwalk (Kreis Prignitz) eine Verwertungsanlage. Die ist hauptsächlich auf Flachs eingestellt, erhält jetzt aber auch eine „Baugruppe“ zum Aufschluß von Hanf. Ende des Jahres soll der Probelauf beginnen, heißt es im Potsdamer Landwirtschaftsministerium.

Die Schäben, die äußeren, hölzernen Bestandteile der Pflanze, lassen sich als Schüttungen verwenden, etwa beim Hausbau als Dämmgut in Zwischendecken. Viel mehr Möglichkeiten bieten indes die Fasern. Auch hier ist die Baubranche als Abnehmer wichtig, hinzu kommt die Textilbranche. Die Tuchwerke im südbrandenburgischen Spremberg interessieren sich für die diesjährige Ernte ebenso wie eine Seilerei in Pritzwalk, berichtet Ministeriums- Pressesprecher Schade. Aus den Fasern läßt sich auch Zellstoff erzeugen, dieser wiederum kann Vorprodukt für Papier sein. Daher will auch die Papierfabrik Haindl in Schwedt erntefrischen Hanf aus Pritzwalk abholen.

Auch die Treuhanf plant, längerfristig eine eigene Papierproduktion auf Hanfbasis aufzubauen. Bis jetzt hat sie schon beim Bau einer neuen „HanfFabrik“ in Zehdenick (Kreis Oberhavel) wesentlich mitgewirkt, die kurz vor der Betriebsaufnahme steht. Sie wird aus brandenburgischem – und vorübergehend auch schlesischem – Hanf vor allem Dämm-Materialien und Baustoffe erzeugen. Knapp außerhalb des Landes, in Dessau, soll eine weitere Fabrik gebaut werden, wobei es der Treuhanf zupaß kommt, daß die sachsen-anhaltinische Industrieregion sich an der EXPO 2000 beteiligt und entsprechende Gelder fließen.

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