: „Unverbindliches“ für die Jugend
■ Vergangene Freitag nacht startete Midnight-Basketball für Jugendliche auch in Lohbrügge
„Bei uns im Stadtteil ist überhaupt nichts los“, beschreibt der 18jährige Murat die Situation in Billstedt. Sein Freund Sascha nickt zustimmend: „Normalerweise gehe ich am Wochenende in Discos und gebe da mindestens 50 Mark am Abend aus.“ Normalerweise, doch diese Freitag nacht sind die beiden in die Sporthalle der Gesamtschule Lohbrügge gekommen – zur Stadtteil-Premiere des Midnight-Basketballs. Von nun an können Jugendliche ab 16 Jahren aufwärts jeden Freitag bei HipHop und Soul ab elf Uhr nachts bis zwei Uhr morgens Basketball spielen.
„Die Teilnahme ist unverbindlich“, sagt die Sozialarbeiterin Gisela Rupp, die in der Vergangenheit überwiegend Aussteiger aus der Lohbrügger Neonazi-Szene betreut hat. Sie befürchtet, daß aufgrund der geringen Freizeitangebote die Jugendlichen aus Frust randalieren könnten. Das nächtliche Spiel, das von der Straßensozialarbeit Lohbrügge, der TSG Bergedorf und der Wohnungsbaugesellschaft SAGA getragen wird, sieht sie als „Präventivmaßnahme“.
Bereits seit dem vergangenen Jahr gibt es an verschiedenen Nachmittagen in der Woche offene Basketballtreffs in Stadtteilen, die als „soziale Brennpunkte“ eingestuft werden. Dort haben Teenager die Möglichkeit, auch außerhalb eines Vereins unter fachlicher Anleitung zu spielen. Basketball zur Geisterstunde ist im Stadtteil Horn schon seit August ein regelmäßiges Angebot, nun also auch in Lohbrügge.
Die Jungen aus Billstedt sind begeistert. „Hier wird unsere Musik gespielt, die Leute sind in Ordnung“, urteilt Murat, „und mit Jo, meinem Trainer, kann man gut Sprüche klopfen.“ Jo Asberry ist Hamburgs einziger Basketball-Sozialarbeiter. Unter der Woche eilt der US-Amerikaner von Platz zu Platz, um Jugendlichen Dunkings und Tip-Ins beizubringen.
Der 31jährige hat bereits in den USA im Jugendstrafvollzug mit Jugendlichen trainiert und nutzt seine Erfahrungen mit Midnight-Basketball in San Francisco nun in Hamburg. Ist die Situation in der Hansestadt überhaupt mit US-amerikanischen Verhältnissen vergleichbar? „Überall gibt es solche und solche Kids“, mag Asberry nicht so recht rausrücken. Dafür weiß es Sascha um so besser: „Also Ghetto-Kids sind wir nicht. Ich bin hier, weil ich gerne Basketball spiele.“ Seine Vorbilder kommen – natürlich – aus den USA. „Michael Jordan, Charles Barkley...“, gerät der 19jährige ins Schwärmen.
„Basketball und Streetball liegen bei den Kids im Trend“, weiß Sozialarbeiterin Rupp, und so war es naheliegend, mit Hilfe dieser Sportarten zu versuchen, die Jugendlichen von der Straße zu holen. „Anstatt draußen auf dumme Gedanken zu kommen, spielen sie mit mir in der Halle,“ freut sich Asberry, „und zugleich werben wir für unseren Sport.“
In der Nacht zum Sonnabend allerdings waren die meisten der etwa 50 Spieler Vereinsmitglieder, um deren Gunst nicht mehr geworben zu werden brauchte. Wo sind die anderen? Die 14jährige Jale, eines der vier zuschauenden Mädchen, hält es für unwahrscheinlich, daß „krasse Jugendliche“, die eigentlich mit dieser Aktion angesprochen werden sollen, sich in die Turnhalle verirren: „Die halten die Leute aus dem Verein sicher für Spießer.“
Also doch kein „niedrigschwelliges Angebot“, wie sich die Sozial-arbeiterInnen es gewünscht hatten? Freitag sei erst der Auftakt gewesen, sagt Gisela Rupp und gibt sich zuversichtlich, daß in Zukunft auch andere Jugendliche das Angebot annehmen. An eine Ausweitung der Aktion werde schon gedacht. „Wir planen in Allermöhe ein weiteres Projekt,“ sagt Boris Schmidt, Pressesprecher des TSG Bergedorf.
„Ich werde auf jeden Fall wiederkommen“, versichert Sascha. „Allerdings“, fügt Murat hinzu, „wäre es schön, wenn trotz unserer ruppigen Spielweise noch mehr Mädchen teilnehmen würden.“
Christine Andersen
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