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Intervention in Zaire wird immer fraglicher

■ 400.000 Hutu-Rückkehrer erreichen Ruanda. Versorgung bisher problemlos

Genf/Berlin (AP/dpa/IPS/taz) Nach der Rückkehr von Hunderttausenden ruandischen Hutu aus Flüchtlingslagern in Zaire nach Ruanda wird die geplante Entsendung einer UN-Truppe zur Versorgung und Rückführung eben jener Flüchtlinge immer ungewisser. Bisher war vorgesehen, daß als Kern einer zehn- bis zwölftausend Mann starken internationalen Truppe etwa 1.000 US-Soldaten im zairischen Goma den Flughafen besetzen, um von dort aus Hilfe an die mutmaßlich in Zaire verstreuten ruandischen Flüchtlinge zu liefern. Da viele dieser Flüchtlinge nun aber von alleine nach Ruanda zurückgekommen sind, verlautet jetzt aus US-Regierungskreisen, es könne nun eher logistische Hilfe in Ruanda geben, anstatt einer militärischen Operation in Zaire. US- Verteidigungsminister William Perry sagte, die Situation habe sich „spektakulär verändert“. Er halte eine Intervention weiterhin für nötig, betonte aber, eine endgültige Entscheidung zur Truppenentsendung sei noch nicht gefallen.

Die EU-Beauftragte für humanitäre Hilfe, Emma Bonino, nannte das Mandat der geplanten Truppe „unbefriedigend und unzureichend“. Die noch zu versorgenden Flüchtlinge müßten von den Hutu-Milizen getrennt werden. „Wenn die Soldaten die Milizen nicht entwaffnen, wer soll es dann tun? Das Rote Kreuz, Oxfam oder Ärzte ohne Grenzen?“

Frankreich hält dagegen an der Truppenentsendung fest. Das Außenministerium in Paris erklärte gestern, die Krise in Zaire sei „noch nicht gelöst“. Ähnlich äußerte sich die Regierung Kanadas, das die Truppe befehligen soll. Außenminister Lloyd Axworthy sagte, jetzt sei nicht die Zeit, innezuhalten und die Lage zu überdenken. Gleichzeitig ist jedoch das für Mittwoch in einer US-Kaserne bei Stuttgart geplante Treffen von Militärs aus verschiedenen Ländern, auf dem der designierte kanadische Kommandant sowie andere Leiter der bereits nach Ruanda entsandten Voraustrupps Bericht erstatten und die Einzelheiten der Truppenentsendung beratschlagen sollen, auf Donnerstag verschoben worden. Das läßt durchaus einige Tage Bedenkzeit offen.

Skeptische Stimmen kommen vor allem aus Afrika. Eritrea zog gestern seine Zusage zur Beteiligung an der UN-Truppe wegen „ernster Zweifel“ zurück. Südafrika forderte Nachverhandlungen. Die Staatschefs von Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda bemängelten auf einem außerordentlichen Treffen am Wochenende, sie seien bei der Organisation der UN-Truppe nicht konsultiert worden. Angesichts der politischen Verquickungen in der Region sei jeder Versuch, die Krise ohne Beteiligung der Anrainerstaaten zu lösen, zum Scheitern verurteilt. Ruandas Präsident Pasteur Bizimungu forderte, das Geld, das eine UN-Truppe kosten würde, lieber für Wiederaufbau in Ruanda zu nutzen.

Das Argument der Interventionsbefürworter ist, daß beileibe nicht alle ruandischen Hutu in Zaire sich auf den Weg zurück nach Ruanda gemacht haben. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR haben 400.000 ruandische Flüchtlinge aus Zaire die Grenze nach Ruanda überschritten. „Es gibt kaum noch Flüchtlinge in Goma und Umgebung“, sagte UNHCR-Sprecher Fernando del Mundo gestern. Weitere bis zu 150.000 Menschen bewegten sich jedoch in umgekehrter Richtung, ins zairische Landesinnere hinein. Von rund 700.000 Flüchtlingen weiter südlich um Bukavu habe das UNHCR zudem keine Nachricht. Burundische Hutu-Oppositionelle berichten, das burundische Tutsi-Militär habe Boote mit burundischen Rückkehrern versenkt, die den Tanganyika-See von Zaire nach Burundi überqueren wollten.

Die Versorgung der Rückkehrer bereitet dem UNHCR offenbar keine Probleme. Nach eigenen Angaben hat es seit dem Wochenende Nahrung und Decken für 450.000 Menschen nach Ruanda gebracht. Weitere Lieferungen seien geplant. D.J.

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