: Biotechnologische Aufholjagd
Im Wettbewerb um Biotechnologie-Förderung drängen 17 Regionen an den 200-Millionen-Mark-Topf des Forschungsministeriums ■ Von Wolfgang Löhr
Berlin (taz) – Für 17 deutsche Regionen wird sich heute entscheiden, ob sie künftig bei der Vergabe von Forschungsmitteln für die Biotechnologie bevorzugt behandelt werden. Forschungsminister Jürgen Rüttgers wird in Bonn die drei Sieger bekanntgeben, die den von ihm ausgeschriebenen „BioRegio- Wettbewerb“ gewonnen haben. 200 Millionen Mark stehen für das Förderprogramm Biotechnologie zur Verfügung. Drei Modellregionen, die das beste Konzept für die „kommerzielle Entfaltung der Biotechnologie“ vorlegen, sollen als besonders förderwürdig ernannt werden. Für Rüttgers ist es ein Schritt, damit Deutschland „in Europa die Nr. 1 in der Biotechnologie“ wird.
Bis Ende September hatten die Bewerber Zeit, ihre Unterlagen vorzulegen. Schon für die Vorbreitungsphase gab es Geld aus dem Forschungsminsterium: 100.000 Mark erhielt jede Region, um Unternehmen, Forschungsinstitute, Kapitalgeber und Behördenvertreter an einen Tisch zu bekommen. Es galt, eine gemeinsame Strategie auszuarbeiten, um die Rahmenbedingungen für Forschung und Industrie zu verbessern, den Zugang zu Risikokapital für Firmengründungen und neue Produkte zu erleichtern sowie Hemmnisse bei den Genehmigungsbehörden zu beseitigen.
Der Wink mit dem Geldtopf wirkte: Aus fast allen Wirtschaftsregionen gingen Anträge ein. Unter anderem bewarben sich der „Initiativkreis München“, die „BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck“ mit den Städten Heidelberg, Ludwigshafen und Mannheim, die BioRegionen „Halle-Leipzig“, „Greifswald-Rostock“ und „Stuttgart Neckar-Alb“, der Berlin- Brandenburgische Zusammenschluß „BioTop“ und die „Biotechnologiestadt“ Ulm.
Seit einer Woche nun haben die 17 Bewerber Gelegenheit, ihre Konzepte in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Öffentlichkeit zu präsentieren. Eine „bombastische Akzeptanzshow“, so die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Marina Steindor, mit der Forschunsgminister Rüttgers die „nächste Runde seiner Aufholjagd in der Biotechnologie einläutet“. Die grüne Gentechexpertin kritisiert, daß es Rüttgers gar nicht um die Biotechnologie gehe, „sondern um eine einseitige Förderung und Akzeptanzbeschaffung für die Risikotechnologie Gentechnik“.
Auch ihr Fraktionskollege Manuel Kiper meint: „Wenn von Biotechnologie die Rede ist, spricht Rüttgers über Gentechnik.“ Ein Blick in die vorgelegten Konzepte gibt ihnen recht. In fast allen Anträgen geht es in erster Linie um die Gentechnologie. Bei Biotop Berlin-Brandenburg steht die medizinsche Anwendung im Vordergrund: Gentherapie und -diagnostik, die Sequenzierung des menschlichen Genoms. Eine enge Kooperation mit dem Pharmakonzern Schering ist angestrebt. So wird der Konzern im nächsten Jahr ein Institut für Genomforschung einrichten. Die „Zukunftsregion Rhein-Neckar“ verweist auf die großen Forschungsabteilungen der Pharmaindustrie mit Knoll, Boehringer Mannheim und der Firma Merck. Und bei BioRegio Rheinland wird auf die Pharmafirmen Rhone-Poulenc-Rorer und Grünenthal mit den ersten gentechnischen Produktionsanlagen in Deutschland verwiesen.
Unabhängig davon, wer heute das Siegertreppchen besteigen darf, in einem sind sich alle Beteiligten einig: Der BioRegio-Wettbewerb war ein voller Erfolg. „Rüttgers hat mit wenig Geld eine Menge bewegt“, so Joachom Rautter vom BioTop-Büro Berlin- Brandenburg. Die einmal geschaffenen Strukturen werden auch noch weiterhin bestehen bleiben.
Auch Andreas Müller, Leiter der Niedersächsischen Koordinierungsstelle in Göttingen, ist optimistisch. Er räumt dem „Forschungsdreieck Hannover, Braunschweig, Göttingen“ gute Chancen ein. Über 150 Einrichtungen habe man „unter einen Hut gebracht“. Immerhin haben die Niedersachsen allein für die Vorbreitungsphase schon 800.000 Mark ausgegeben. Spekulationen über die Rangfolge werden bisher nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Zu ungewiß ist, welche Kriterien letztendlich den Ausschlag geben werden. Ob nicht doch regionale Rücksichten eine Rolle spielen werden. So wird vermutet, daß es sich Rüttgers nicht leisten könne, die Regionen im Osten Deutschlands gänzlich leer ausgehen zu lassen.
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