Castroper Prinz küßt Bremen nicht wach

■ Der Sparschraube zum Trotz: Bremer Freizi-MitarbeiterInnen wollen lieber keine privaten Freizeitheime wie in Castrop-Rauxel

Dolf Mehring aus Castrop-Rauxel traf die BremerInnen im Dornröschenschlaf. Am Mittwoch abend präsentierte der Abteilungsleiter der Jugendförderung aus Castrop rund 100 Bremer Freizi-MitarbeiterInnen seine Idee vom „Freizeitheim als Eigenbetrieb“. Die grüne jugendpolitische Sprecherin Maria Spieker hatte Mehring nach Bremen eingeladen, „um der Dauer-Freizi-Krise endlich neue Impulse zu geben.“ Doch so schnell wollten sich die ZuhörerInnen nicht wachküssen lassen. Der Referent stieß auf eine skeptische Zuhörerschaft.

„Die Lage ist hart, aber nicht hoffnungslos“, wußte Mehring zu berichten. Schließlich gelangen die Bremer SozialpädagogInnen jedes Jahr wieder vom Regen in die Traufe – die Sparkonzepte und Katastrophenmeldungen wechseln sich ab wie die Jahreszeiten, „aber ein inhaltlich neues Konzept der Jugendarbeit fehlt“, kritisierte die grüne Sprecherin Maria Spieker. Bis zum April 1997 soll jetzt Sozialsenatorin Tine Wischer ein Konzept vorlegen, „dabei warten wir darauf schon seit Jahren.“

Die Castroper dagegen hatten das Warten satt. Jedes Jahr dieselbe Daumenschrauberei und dieselben Vorurteile aus der Verwaltung: „In Finanzkrisen stehen Freizis als freiwillig subventionierte pädagogische Spielwiesen mit teuer bezahlten Sozialpädagogen da“. Außerdem seien Freizis schlecht besucht, „doch wie sollen wir attraktiver werden, wenn wir kein Geld bekommen“, fragte Mehring in die Runde und gab sich gleich selbst die Antwort: „Indem wir uns bewegen, damit wir nicht selber Schiffbruch erleiden.“

Bewegen, das hieß für die Castroper, ihre sieben Freizis als optimierte Regiebetriebe an den Start zu schicken – mit eigener Bewirtschaftung, eigenen Kosten, Einnahmen und auch eigenen Sorgen. Die Stadtspitze gab sofort nach, „da hatten wir Glück mit unserem neuen Stadt-Direktor, der kam gerade frisch von der Verwaltungsakademie.“

Jedes Jahr schließt eine Arbeitsgemeinschaft aus Freizi-LeiterInnen, Politik und Verwaltung jetzt einen Kontrakt übers eigene Budget ab. „Wir sind aber kein Eigenbetrieb, der muß solche Verträge nämlich gar nicht mehr schließen, stattdessen hauswirtschaftet er allein“, erklärte Mehring. Um unsägliche Spardebatten zu vermeiden, wurde außerdem von der SPD-Mehrheit im Rathaus eine Richtlinie zur offenen Jugendarbeit abgesegnet, „um für die Freizis eine Bestandsgarantie zu sichern,“ erklärt der Abteilungsleiter. Bremen dagegen warte auf so ein Jugendfördergesetz seit Jahren, ärgerte sich die Grüne Maria Spieker.

Die Castroper dagegen dürfen jetzt schon die Freizi-Sanierung in die eigene Hand nehmen: „Da haben wir in diesem Jahr soviel renoviert wie in den letzten fünf Jahren nicht. Und nicht mehr Geld ausgegeben.“ Jugendcafes sind jetzt Standard in den Häusern, die service- und kundenorientiert die Kids der 90er Jahre in ihre Freizis locken, erzählte Mehring. „Wir planen nicht mehr am Bedarf vorbei, sondern haben Ziele entwickelt.“ Man müsse sich schließlich an den Discos und Kneipen messen lassen – 25 Stunden haben die Castroper Freizis für ihre Kids pro Woche Zeit, sind sogar abends und am Wochenende geöffnet.

Statt wahren Begeisterungsstürmen überwogen bei den Bremer Sozpäds die Zweifel: „Wir wollen uns nicht vereinzeln und vom Amt für soziale Dienste trennen“, sagte einer. „Die eigene Betriebsform ist ein Schritt zur Privatisierung und Zerschlagung“, raunte ein anderer. „Das läuft in Bremen schlecht, wir haben es ja bei den Bremer Entsorgungsbetrieben gesehen.“ Das harte Controlling paßte dem Publikum außerdem nicht: Schließlich werden, so gab Dolf Mehring bei der offenen Diskussion zu, bei miesen Kontrollzahlen auch schon mal die Mittel für ein halbes Jahr gesperrt. „Der Prozeß der Neuorientierung ist schmerzlich“, gab der Castroper den BremerInnen auf den Weg, „aber ihr könnt es schaffen.“ kat