Wieviel Euro bringt die Mark?

■ Bremer SeniorInnen befällt die Angst vor der neuen europäischen Währung

Karin Jöns liegt der Euro sehr am Herzen. Und weil es für „die gute Sache“ zu kämpfen lohnt, macht sich die Bremer Europaabgeordnete in Strasbourg sehr oft auf den Weg in die Bremer Hansestadt. Der missionarische Eifer traf diesmal die Bremer SeniorInnen-Vertretung, schließlich hatte die ganz bange gefragt: „Was bedeutet der neue Euro für unsere Renten und Sparguthaben?“

„Ganz viel Angst“ hätten die BürgerInnen vorm Euro, wußte die Europaabgeordnete im Sitzungssaal der Bürgerschaft strahlend zu berichten. „Das kann ich verstehen“, sagt sie und blinzelt vertrauensvoll in die Runde. Rund zwanzig SeniorInnen verfolgen gespannt, was die Frau aus Strasbourg zu erzählen hat. „Nur Gutes“, wollte die dem Arbeitskreis „Politik für Senioren“ für die langersehnte Währungsunion mit auf den Weg zu geben, „auch wenn Sie mit der Währung schon eine so leidvolle Geschichte erlebten.“

Die Währungsreform 1948 sei das schmerzvolle Stichwort dazu. Alles sei damals ganz furchtbar gewesen, die deutsche Mark so wertlos wie ein alter Lappen, „und dann standen Sie alle nur noch mit 40 Mark in der Hand da.“ Jöns lacht und schüttelt mit dem Kopf. Nichts, aber auch gar nichts, habe diese Währungsunion aber mit so einer Reform zu tun. Die deutsche Mark, die werde man zwar verlieren. „Aber die taucht ja nur in den Euro ein, dort, wo sich im Grund alle anderen europäischen Währungen dann verstecken“, erklärte Jöns. Sonst ändere sich nichts.

„Doch“, sagt der alte Herr barsch, der bisher ruhig den blumigen Ausführungen der Bremer Europaabgeordneten lauschte. Von „wahnsinnigen Vorteilen“ der Währungsunion war da die Rede: keine Wechselkursverluste und Umtauschgebühren mehr (bisher 30 Milliarden Mark Verlust für die europäische Wirtschaft), kein Wechselkursrisiko mehr (bisher 15 Mrd. Mark Verlust), und riesige Exportgewinne für deutsche Lande. Eine gemeinsame Währung muß her, „und wenn wir unsere Mark aufgeben müssen, die wir so liebgewonnen haben.“

Die liebe Mark aber, so rief ein alter Mann im Zuhörersaal in die Runde, die sei dann aber nur noch fünfzig Euro wert – so ähnlich wie damals bei der Währungsreform. Plötzlich hält er kurz inne und überlegt: „Aber wenn, ja wenn die Butter nur noch 90 Pfennig kostet, dann ginge es ja noch“, gibt er zu. Die Europaabgeordnete lacht und zwinkert, ihre Augen glänzen wie blanke Münzen. „Der Euro“, sagt sie bestimmend und sanft, „der macht uns nicht ärmer. Aber auch nicht reicher.“ Wer 800 Mark Rente hat, der bekäme dafür ab dem Jahr 2002 rund 400 Euro. Aber die Miete von bisher 400 Mark, die würde dann natürlich auch nur noch 200 Euro sein. Stummes Zweifeln im Sitzungssaal, in den Köpfen rechnen die Senioren das Jöns'sche Rechenbeispiel durch, beim Kurs von 1,92 Euro für eine Mark. „Das wird schon gutgehen“, sagt Jöns in die Stille. „Oder glauben Sie etwa, daß sich 15 Staats- und Regierungs-chefs mit uns ins Unglück stürzen wollen?“

Der gewiefte Sparkassen-Insider im Zuhörersaal war sich da nicht so sicher. Ganze 50 Jahre hatte er in diesem Bankhaus gewirkt und seit Jahren über die Währungsunion laut und in selbst verfaßten Büchern nachgedacht. Das Waigelsche Haushaltsloch, das mache ihm dann aber doch Sorgen. Schließlich dürfe die Staatsverschuldung nicht über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, „und jetzt haben wir in der BRD vier Prozent. Wie will der Waigel das hinkriegen?“, fragt er und zitiert lange Sätze aus seinem Buch. Wenn alle Staaten jetzt mit gezinkten Karten im entscheidenen Jahr 1997 ihren Haushalt sanierten, „dann gehen wir aber spätestens im Jahr 2002 baden.“ Da kam Jöns ins Schwitzen: „Ich weiß ja auch nicht, was dann passiert. Wir werden dann ja sehen, wer recht hat“, gab sie leise nach. „Dann“, bekam sie aus zehn Mündern zu hören, „dann, Frau Jöns, dann ist es leider zu spät.“ kat