: Siemens ist immer ein Fall für sich
■ Finanzsenator: Bremen soll den Umzug des Siemens-Hochhauses an die Uni doppelt fördern
Das Siemens-Hochhaus soll für satte 19 Millionen Mark von der Stadt Bremen gekauft werden. Das steht in einer vertraulichen Senatsvorlage, die schon am 19.11. beschlossen werden sollte. Siemens soll gleichzeitig für 96 Mark pro Quadratmeter ein 25 Hektar großes Gelände in bester Lage im Technologiepark Universität erhalten.
Den Verkaufswert des Siemens-Hochhauses hatte das Katasteramt auf 14-18 Millionen geschätzt. Für diesen Preis wurde die Siemens-Immobilien-GmbH es aber nicht los: Das Hochhaus entspricht in keinster Weise modernen Büro-Standards und ist im Inneren auch nicht für verschiedene Nutzer sinnvoll abteilbar. IG-Bau-Geschäftsführer W. Jägers schätzt, daß sich bei genauer Betrachtung zudem „erhebliche Baumängel oder Asbest“ erweisen könnten.
Aber Siemens setzte Bremen unter Druck: Solange das Hochhaus nicht verkauft ist, wird nicht neu gebaut. Seit dem Frühjahr 1996 liegt so die Fläche an der Uni – von Naturschützer Gerold Janssen liebevoll „Uni-Wildnis“ genannt – ansiedlungsreif brach, und Siemens wartet ab. „Der Kaufpreis entspricht in etwa der Wertempfehlung der KVB...“, heißt es nun in dem Senatspapier frei nach dem Motto: „14 bis 18“ sind etwa 19.
Inzwischen sind die Unzugspläne von Siemens dagegen heftig geschrumpft: 1987 war noch von 10 Hektar die Rede, auf denen alle Siemens-Aktivitäten in Bremen konzentriert werden sollten. So eine große geeignete Fläche gebe es nur an der Uni, deshalb sollte Siemens in den Technologiepark. Nun sind noch 2,5 ha geblieben. Auf 25-30 Millionen schätzt Siemens die Investitionskosten inclusive Grunderwerbskosten, der Verkaufspreis des Hochhauses deckt also gut 2/3 der Investitionssumme für den Neubau. Und das Gelände bekommt Siemens fast geschenkt: Schon 1995 hatten die Bremer Kataster-Schätzer den Wert dort auf 140 Mark/qm taxiert. An Erschließungskosten stecken ca. 380 Mark in jedem Quadratmeter. Siemens zahlt nur 96 Mark/Quadratmeter.
Wie die Stadt das Siemens-Hochhaus nutzen will, ist dabei noch offen. Von der Idee des „gläsernen Rathauses“ ist nichts geblieben. Die Idee der Bildungssenatorin, sie könne hier ihre verstreuten Dienstsitze zusammenführen und Parterre die Stadtbibliothek an einem zentralen Platz in Bahnhofsnähe konzentrieren, hat der Finanzsenator verworfen. Stattdessen sollen Planungsamt, Kataster- und Grundstücksamt hier einziehen, die untersten beiden Geschosse könnten privat und teuer vermietet werden. Dazu muß allerdings, so die Senatsvorlage, das Umfeld eine „Aufwertung“ erfahren – derzeit bestimmen Sexshops die Lage.
Für den Ankauf des Siemens-Hochhauses ist kein Geld im Etat eingeplant, deshalb hat der Finanzsenator gerechnet:
– 2,4 Millionen kommen durch den Grundstücksverkauf herein, rechnet das Fachressort – die Erschließungskosten dort schlicht unterschlagend;
– 2,6 Millionen bringt der Verkauf des Katasteramtes an der Wilhelm-Kaisen-Brücke – das war aber eine Schätzung von 1993 und inzwischen sind 1,9 Millionen für Sanierung ausgegeben worden. Aber Abschreibungen gibt es beim Staat ja nicht.
–d ie eingesparten Mieten der umziehenden Behörden machen, auf 25 Jahre kalkuliert, 15 Millionen aus, rechnet das Finanzressort – und zählt die 15 Millionen einfach dazu.
Das wäre zusammen etwa der Kaufpreis, über den Daumen kalkuliert. Aber in dem derzeitigen Zustand ist das Hochhaus von den Behörden nicht zu nutzen. Heizung muß erneuert werden, neue Fenster, Telekommunikation für 16.000 Quadratmeter – auf 15 Millionen „schätzt“ das Finanzsressort ganz grob die „Herrichtungs“-Kosten. Dafür gibt es keine Finanzierungsidee. Der Umzug der Behörden taucht in der Rechnung überhaupt noch nicht auf. Und wenn nicht nur „hergerichtet“, sondern auch saniert werden muß, dann wird es noch teurer. Und überhaupt: Wenn klar ist, wie das Haus genutzt werden soll und ob vielleicht Umbauten und neue Zwischenwände erforderlich werden, neue Etagenaufteilungen zum Beispiel – erst dann können die Kosten genau beziffert werden, schreibt der Finanzsenator und empfiehlt dem Senat den Kauf mit der Klarstellung: „Ein isolierter Erwerb des Siemens-Hochhauses an sich käme bei Anlegen des strengen Maßstabes der Wirtschaftlichkeit nicht in Betracht.“ K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen