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Werner Mauss, ein Mann für alle Fälle

■ Der Privatagent Werner Mauss arbeitete in Kolumbien mit Rückendeckung Bonns nicht nur für Mannesmann und Siemens. Auch seine Beziehungen zur ELN-Guerilla gediehen prächtig - zum Vorteil beider Seiten.

Werner Mauss, ein Mann für alle Fälle

Kaum ein Konterfei flimmert derzeit so häufig in die kolumbianischen Wohnstuben wie das des deutschen Superagenten Werner Mauss nach seiner Festnahme. Ziemlich nervös hält er mal die linke, mal die rechte Hand vor den Mund, immer darauf bedacht, sein Markenzeichen, eine fehlende Fingerkuppe, zu verbergen.

Täglich folgt eine neue Episode des Politthrillers, in dem neben Mauss hochrangige Politiker aus Bogotá und Bonn, der Elektromulti Siemens und die Guerrillabewegung ELN (Heer zur Nationalen Befreiung) die Hauptrollen spielen.

Mauss und seine Frau Ida waren vor einer Woche als Jürgen und Isabel Seidel auf dem Flughafen von Medellin gestellt worden, als sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Brigitte Schöne außer Landes bringen wollten – mit einer von der Siemens-Sekretärin Barbara Hintze gecharterten Privatmaschine. Die 40jährige Ehefrau von Ulrich Schöne, einem ehemaligen BASF-Manager in Kolumbien, war drei Monate zuvor vom ELN entführt worden. Mauss soll in Deutschland zwei Millionen Dollar aufgetrieben haben, von denen er angeblich drei Viertel an den ELN zahlte.

Zum Verhängnis wurde ihm, daß er erst im September nach gleichem Strickmuster Freilassung und Ausreise des Ingenieurs Karl- Heinz Tresser inszeniert hatte. Die bereits alarmierten Behörden vor Ort soll ein Exguerrillero rechtzeitig über den Schöne-Coup unterrichtet haben. Da half es nichts, daß die deutsche Botschaft den beiden Mittlern gleich nach deren Ankunft in Bogotá am 15. November zwei weitere Pässe auf die Namen Norbert und Sylvia Schröder ausgestellt hatte. Auch das Empfehlungsschreiben der Botschaft mit der Bitte an die Behörden, bei Bedarf die zwei auf „offizieller Mission“ befindlichen Deutschen zu unterstützen, machte keinen Eindruck.

Bereits Mitte der achtziger Jahre hatte Mauss der Firma Mannesmann beim Bau einer 700 Kilometer langen Ölpipeline an die Karibikküste unter die Arme gegriffen. Er schmuggelte nicht nur Maschinen, sondern auch als Touristen getarnte deutsche Angestellte ins Land; nach kolumbianischem Gesetz muß jede Firma zu mindestens 90 Prozent Einheimische beschäftigen.

In jener Zeit begannen auch seine innigen Beziehungen zum ELN: Mauss war beim Freikauf zweier entführter Ingenieure behiflich und organisierte Mannesmanns Schutzgeldzahlungen an die Guerrilla in Millionenhöhe. Niemand in Kolumbien bestreitet, daß die Renaissance des ELN vor zehn Jahren eng mit den deutschen Finanzspritzen zusammenhängt. Allein in den letzten beiden Jahren kaufte Mauss mindestens sieben Ausländer von der ELN frei. Und genau das hat ihm jetzt die Anklage wegen Verstoßes gegen das sogenannte Anti-Entführungsgesetz eingebracht. Danach müssen die Behörden in jedem Falle von Verhandlungen unterrichtet werden.

1990 versuchte das Ehepaar Mauss unter den Namen Claus und Michaela Möllner, im Auftrag der Firma Siemens bei den kolumbianischen Behörden das damals gestoppte Metroprojekt in Medellin wieder in Gang zu bringen – bis sich die genervten Minister die Einmischung verbaten. Der Gouverneur der Provinz Antioquia, Alvaro Uribe, beschuldigte Mauss, damals illegale Provisionen kassiert zu haben. Nach einer Meldung des Nachrichtenmagazins TV-Hoy habe der heutige Präsident Ernesto Samper vor einigen Jahren als Botschafter in Madrid Mauss kennengelernt und sich ebenfalls für Siemens' Interessen am Metroprojekt stark gemacht.

Und just vor acht Tagen, als die deutsche Firma den Zuschlag für die Modernisierung des Maschinenparks des nationalen Einwohnermeldeamtes, ein 93-Millionen- Dollar-Projekt, erhielt, veröffentlichte die Presse ein bei Mauss gefundenes Schreiben.

Der wegen allzu leichtfertigen Umgangs mit Drogengeldern einsitzende Exsenator Eduardo Mestre bittet darin den „geschätzten Claus“ um 50.000 Dollar als Gegenleistung für ein erfolgreiches Geschäft mit Jorge Serpa. Dieser war in den letzten beiden Jahren als Berater für das nationale Einwohnermeldeamt mit dem Modernisierungsprojekt befaßt und mußte am vergangenen Dienstag seinen Hut nehmen.

Die Siemens-Niederlassung in Bogotá bestätigte bisher lediglich Mauss' Vermittlerdienste Anfang der neunziger Jahre. Zu einem Politikum ersten Ranges wurde die Affäre freilich erst durch die jetzt bekanntgewordene Deutschlandreise von Jorge Serpas Vetter Horacio, dem Innenminister und starken Mann der Regierung Samper. Bei seinem mehrtägigen Arbeitsbesuch im Juli dieses Jahres übernachtete er bei Werner Mauss in der Nähe von Bonn und traf zweimal mit Staatsminister Bernd Schmidbauer sowie einmal mit Siemens-Chef von Pierer zusammen.

Die Untersuchung gegen das Ehepaar Mauss alias Schröder alias Möllner alias Seidel – dies nur einige ihrer vielen Decknamen – liegt nun in den Händen der Staatsanwaltschaft, die am Freitag die Einweisung des „deutschen James Bond“ in den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Itagüi bei Medellin verfügte. Einer seiner Zellennachbarn dürfte ein alter Bekannter sein: Francisco Galán, führender Kommandant des ELN.

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