: Das Haager Tribunal plädiert im Fall Tadić
■ Die Anklage beschuldigt Belgrad, Krieg gegen Bosnien geführt zu haben
Berlin (taz) – Im Prozeß gegen den mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Dušan Tadić haben gestern die Schlußplädoyers begonnen. Sie werden zwei bis drei Tage dauern. Tadić werden 13 Morde zur Last gelegt. Außerdem soll er 18 Gefangene von Mai bis Dezember 1992 in den serbischen Lagern von Omarska, Keraterm und Trnopolje gefoltert haben. Die Verteidigung bestreitet, daß Tadić zu dieser Zeit überhaupt in den Lagern war.
Beim gestrigen Plädoyer warf die Anklägerin Brenda Hollis Tadić vor, er habe vor allem das „Todeslager“ Omarska in Nordbosnien regelmäßig besucht. Auch wenn viele Zeugen nicht gesehen hätten, daß Tadić selbst Häftlinge ermordet oder gefoltert habe, so sei er doch dabei gewesen. Dies müsse ihm als Tatbeteiligung angerechnet werden.
Den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević machte Hollis für den Krieg im ehemaligen Jugoslawien verantwortlich. Hollis forderte, die Richter sollten den Krieg nicht als Bürgerkrieg betrachten, sondern als einen serbischen Angriffskrieg gegen Bosnien.
Die Anhörung der rund 120 Zeugen während des Prozesses hatte einige Überraschungen erbracht. So hatte ein Hauptbelastungszeuge gegen Tadić, der bosnische Serbe Dragan Opaćić, im Oktober vor Gericht eingeräumt, die bosnische Polizei habe seine Aussagebereitschaft mit der Drohung erzwungen, ihn hinzurichten. Er sei einen Monat lang sieben Stunden täglich für seinen Auftritt vor dem Tribunal trainiert worden. Staatsanwalt Niemann zog daraufhin alle Anklagepunkte, die auf Opaćićs Aussagen beruhten, zurück. Opaćić hatte Tadić als Aufseher in Trnopolje belastet. Zu Beginn des Prozesses gegen Tadić im Mai 1996 hatten sich sechs Frauen geweigert, ihre Aussagen über sexuelle Verbrechen vor dem Gericht zu wiederholen, aus Angst vor Repressalien. Die Staatsanwaltschaft hatte auch diese Anklage zurückgezogen.
Während das Urteil gegen Tadić im kommenden Jahr fallen soll, wird das Urteil gegen den bosnischen Kroaten Drazen Erdemović am Freitag verlesen. Erdemović hatte gestanden, nach der Eroberung von Srebrenica an der Erschießung von Muslimen beteiligt gewesen zu sein. gb
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