■ Zehn Jahre Putenpaten
: Adoption nur im Stück

San Francisco (dpa/taz) – Der Truthahn ist ein besonderes Tier. Im Rohzustand ausgesprochen häßlich und noch dazu mit einer unangenehmen Stimme ausgestattet, verwandelt er sich im Backofen innerhalb weniger Stunden in einen ansehnlichen Braten.

Ein besonderes Programm hält jedoch Truthähne von ihrem natürlichen Bestimmungsort fern: Seit zehn Jahren vermittelt die Agentur „Adopt a Turkey“ (Adoptiere einen Truthahn) die Vögel an amerikanische BürgerInnen, die zum Erntedankfest lieber Tofupaste servieren. Für 15 Dollar können PutenschützerInnen die Patenschaft für ein Tier übernehmen und es dadurch vor dem Schlachten – einer Grundvoraussetzung für die Zubereitung – bewahren. Als Dankeschön erhält der Sponsor ein gerahmtes Farbbild von genau seinem Truthahn und eine Adoptionsbescheinigung mit Stempel und Siegel.

Das Verfahren, das heutzutage natürlich „Projekt“ heißt, wird von „Farm Sanctuary“ (Bauernhofzuflucht) organisiert. Auf zwei großen, idyllisch gelegenen Farmen im Staat New York und in der Nähe der kalifornischen Hauptstadt Sacramento werden Zwei- und Vierbeiner gehegt und gepflegt, die unter anderem aus Zuchtbetrieben und Schlachthäusern ausgewählt wurden. Darunter sind zahlreiche ehemalige Thanksgiving-Hauptgerichte.

Das Adoptionsprogramm baut in erster Linie auf die Unterstützung von VegetarierInnen. Holly McNulty, die Managerin der New Yorker Farm, erwartet, daß bis Weihnachten über 4.000 AmerikanerInnen einen Truthahn unter ihre Fittiche genommen haben werden. Das wäre mehr als das Doppelte im Vergleich zu 1995. McNulty führt das Interesse an Putenpatenschaften auf ein gewachsenes Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein zurück und darauf, „daß immer mehr Leute erkennen, daß auch fleischloses Essen eine Delikatesse sein kann“.

Wer einen Puter oder eine Pute adoptieren möchte, kann sich über eine gebührenfreie „Turkey-Hotline“ melden. Die geforderten 15 Dollar werden für Futter (Kürbiskuchen, Preiselbeerkompott, Kartoffeln) und liebevolle Betreuung des Schützlings angelegt (Spielenachmittage, Märchenkasetten). Im Regelfall reicht diese Summe für den Rest eines Truthahnlebens auf einer Farm in den USA. Wer will, kann seinen Schützling aber auch mit nach Hause nehmen. Und dort eventuell seine Meinung ändern. Carola Rönneburg