: Strategien fürs Erben
■ Jährlich werden bei uns über 150 Milliarden Mark vererbt - doch über "Erbschaftsmarketing" wird nur selten offen geredet. Manche gemeinnützige Organisationen könnten das Geld jedoch gut gebrauchen
In den nächsten 10 Jahren wechseln die Vermögen der deutschen Gründergeneration ihre Besitzer: 1,5 Billionen Mark werden vererbt. Aber nicht alle Erblasser möchten ihr gesamtes Vermögen der Verwandtschaft vermachen, und viele Senioren haben zwar Geld, aber keine Angehörigen. Das läßt Raum, auch gemeinnützigen Organisationen ein Stück dieses enormen Kuchens zukommen zu lassen – die Enttabuisierung des „Erbschaftsmarketings“ ist in vollem Gange.
Wie bei den meisten Fundraising-Methoden dienen auch hierbei den hiesigen Non-Profit-Organisationen die USA und Großbritannien als Vorbilder. Das Gespräch mit Erblassern wird dort in „Fundraising-Schools“ geübt oder über Fachschriften vermittelt. So weit sind wir hierzulande indes noch nicht. Über dieses Thema wird bisher nur selten offen geredet, obwohl es in manchen Bereichen auch bei uns eine Tradition hat: Schon immer haben beispielsweise Priester und Pfarrer als Gegenleistung für ihren geistlichen Beistand im Diesseits gerne das Geld der Gläubigen genommen, um ihre Arbeit fortsetzen zu können – im Geiste der Kirche und zum Andenken an die Verstorbenen.
Würde nur ein Prozent der jährlich vererbten 150 Milliarden Mark zusätzlich zu den heute schätzungsweise 4 bis 8 Milliarden Mark, die an Spenden eingeworben werden, an die Gemeinnützigen fließen, wäre schon einiges für das Gemeinwohl erreicht. Krebshilfe, Greenpeace und WWF, aber auch Behindertenhilfen sind schon jetzt erfolgreiche Vorreiter beim geplanten Tabubruch, denn sie haben bei Spendern ein hervorragendes Image und bieten ihnen so die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun.
Die Erfahrungen lehren, daß es viele ältere Menschen gar nicht übelnehmen, wenn sie auf einfühlsame Weise auf ein Thema angesprochen werden, das einigen von ihnen tatsächlich auf den Nägeln brennt.
Viele Menschen haben aus Unkenntnis noch kein Testament gemacht. Und das Angebot, sein Erbe dauerhaft und genau dem guten Zweck zuzuführen, der dem eigenen letzten Willen entspricht wird zunehmend angenommen. Gerade wer keine Angehörigen hat, verspürt oft den Wunsch, in den eigenen Werken für die Nachwelt erhalten zu bleiben – und dieses Engagement schon zu Lebzeiten seinen Mitmenschen zu zeigen. Ein von Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen einer Spendenorganisation und einem Menschen ist mithin die wichtigste Voraussetzung für ein Vermächtnis. Ein in jüngster Zeit beschrittener Weg besteht in dem Angebot einiger Organisationen und Wohlfahrtsverbände, mit einer Namensstiftung einer bereits bestehenden oder eigens zu diesem Zweck gegründeten Gemeinschaftsstiftung beizutreten. Das hat für Erblasser mehrere Vorteile: Das deutsche Stiftungsrecht bietet die Gewißheit, daß das Andenken an die Stifter auf Dauer gewahrt bleibt. Zudem kann bei einem Wechsel der Geschäftspolitik nicht einfach das vererbte Geld in Bereiche umgeleitet werden, die vom Erblasser unerwünscht sind.
Aber plötzlich und unerwartet bekommen auch manche der kleineren freien Träger Geld oder Immobilien vererbt. Das geschieht meist zufällig und keineswegs geplant. Aufgrund dieser Erfahrungen stellen zum Beispiel manche Gesundheitsinitiativen Überlegungen an, ob solche „Zufallsreichtümer“ nicht besser systematisch herbeigeführt werden sollten. So nachvollziehbar und verlockend solche Ideen auch sind, Vorsicht und Fingerspitzengefühl ist allemal geboten. Der langfristige Aufbau von Beziehungen zu Spendern, um später vielleicht einmal etwas zu erben, erfordert grundsätzliche Überlegungen und eine Strategie für das Erbschaftsmarketing. Auch juristischer Rat ist beispielsweise unerläßlich. Schließlich können innerhalb eines kleinen Projektes ganz schön die Fetzen fliegen, wenn ein Geldsegen auf eine darauf unvorbereitete Gruppe herniederregnet, die bisher immer am Rande des finanziellen Abgrunds und mit viel Selbstausbeutung agiert hat.
Trotzdem: Eine gemeinnützige Einrichtung, die Fundraising betreiben will, muß sich auch diesem Thema stellen. Denn wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Fritz Haunert
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