Spagat zwischen Larmoyanz und Karriere

■ Erfolg bringt viel, unter anderem ein langes Leben: Ein Porträt der Kabarett- und Theatergruppe „Zwei Drittel“, die im nächsten Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert

Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung soll es sicher nicht sein: Das neue, „Extrawurst“ geheißene Stück der Berliner Kabarett- und Theatergruppe „Zwei Drittel“, das am Dienstag im Mehringhof-Theater Premiere hatte. Es geht darin um eine Off-Theatergruppe, die arg erfolglos ist und sich deswegen trennt. Ihre Mitglieder versuchen daraufhin in den unterschiedlichsten Berufen ihr Glück.

Im richtigen Leben müssen Zwei Drittel an solche Alternativen vorerst keine Gedanken verschwenden. Sind sie doch in der Berliner Kabarett- und Off-Theater-Szene so etwas wie eine Institution: Im nächsten Jahr feiern sie ihr zehnjähriges, überaus erfolgreiches Bestehen – ungewöhnlich in einer Szenerie, die steter Fluktuation unterworfen ist.

Der 34jährige Christoph Jungmann ist Gründungsmitglied von Zwei Drittel. Eigentlich wollte er Fußballjournalist werden. Über den Umweg eines unergiebigen Studiums der Publizistik, Geschichte und Politik und dem Besuch einer Schauspielschule landete er jedoch direkt auf der Straße – als Musiker. „Wir machten zwar Straßenmusik, spielten aber auch ein paar kabarettistische Nummern ein. Als wir dann versuchshalber eine Galerie in Schöneberg mieteten, war die die ersten drei, vier Wochen ständig ausverkauft.“

1987 war das: In West-Berlin gab es die 750-Jahr-Jubelfeier – anläßlich der Zwei Drittel auf einer Gegen- und Spaßdemo einen Auftritt auf dem Breitscheidplatz vor ein paar tausend Leuten hatten. Es war das Jahr der ersten Krawalle am 1. Mai, und überhaupt feierte man unzählige multikulturelle und politisch bewegte Straßenfeste. Jungmann: „In der linksalternativen Szene sind wir seinerzeit schnell angenommen worden: Während das etablierte Kabarett sich mit dem politischen Gegner beschäftigte, fühlte sich unser Publikum am wohlsten, wenn es selbst richtig verarscht wurde.“ Im folgenden profilierten sich Zwei Drittel in der Stadt als „Szenekabarett“. Eine Kabarettgruppe allerdings, die lieber Musiktheaterstücke als kabarettistische Programme produzierte und so zum erfolgreichsten Off-Theater in Berlin mit im Schnitt 150 Zuschauern pro Abend wurde.

Einen ersten Knick in der Erfolgskurve gab es im letzten Jahr. Das Stück „Der 30. Geburtstag“ kam weder bei Kritik noch Publikum an. Eine ungewohnte Situation, zumal zu allem Überfluß jedwede Subvention des Senats, zuletzt immerhin 120.000 Mark, gestrichen wurde: Nicht Folge allgegenwärtiger Kürzungen im Kulturbereich – der Etat für freie Theatergruppen blieb nämlich derselbe wie die Jahre zuvor – sondern ästhetische Willkür der zuständigen Geldverteiler, „die sich wohl dachten, wir sind zu wenig avantgardistisch. Da bekommt man das Gefühl, daß ausgerechnet unser bisheriger Erfolg gegen uns spricht.“

Mit „Extrawurst“ nun, einer Mischung aus Theater- und Nummernprogramm (Regie: Johann Jakob Wurster), vollziehen Zwei Drittel keine Abkehr vom bewährten Konzept: Konstruktion und Thematik sind der eigenen Sozialisation entnommen; nur daß man – anders als in „Der 30. Geburtstag“ – die Sache von der wirklich heiteren Seite nimmt und auch die Generation der Post-78er, deren Nabel die Welt von Zwei Drittel seit ihren Anfängen ist, wieder richtig verarscht.

Man ist also jenseits der Dreißig und verspürt erste Anzeichen einer Lebenskrise. „Selbstverwirklichung“ heißt dann das Zauberwort, und so wollen die Extrawürstler „die weiblichen Seiten im Manne entdecken“, „endlich mit echten Menschen arbeiten“ oder „wahrhaftige Kunst produzieren“.

Mit den beruflichen Veränderungen ist das jedoch so eine Sache: Als Angela- Merkel-Parodist sich durchzuschlagen will gelernt sein, selbst, wenn man das noch so perfekt und witzig macht wie Thorsten (Christoph Jungmann), mit großen, steifen Jazzmusikern zu arbeiten fällt schwer, wenn man es wie Brigitte (Gabi Schmalz) einfach nur „saugut grooven“ lassen möchte; und auch die Arbeit mit BVGlern ist für eine links- und frauenpolitisch sozialisierte Frau wie Conny (Barbara Klehr) eine Herausforderung, die ihre Tücken hat. Jungmann spielt dabei den leicht irritierbaren Trottel, Robert Munzinger, der Vierte im Bunde, ist konsequent lässig und borniert. Gabi Schmalz mimt die dumme Pute wie die übereifrige Menschenfreundin, und Barbara Klehr ist mal aufgekratzt-überkandidelt, mal einfach nur zickig. Komisch sind sie alle, nur allzu gern läßt man sich auf ihre Irrwege ein. Selbst wenn Fußballer-Parodien, BVG- oder „daheim bei den Pfälzer Schwiegereltern“-Geschichten abgedroschen und unpop erscheinen: Zwei Drittel schaffen es, immer noch eine Spirale mehr reinzudrehen, dem alltäglich-öden Geschehen eine zusätzliche überraschende Volte zu verpassen, und da stören auch die meist schwachen Schlußpointen nicht allzu sehr. Jungmann nennt „Extrawurst“ „unser vielleicht unpolitischstes Stück“. Was ja Sinn macht: Denn trotz Mutlangen, Hüttendörfern und besetzten Häusern – so richtig funky ist Politik für die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen nicht mehr.

Zwei Drittel aber wollen auch in Zukunft die Lebensanstrengungen ihrer Generation im Auge behalten; deren Spagat zwischen Larmoyanz und Karrierestreben, fern von Politik und Szenegehabe. „Extrawurst“ endet damit, daß sich die Theatergruppe – auch mit der Aussicht auf wenig Geld und Zuschauer – wieder zusammen findet. Denn: „Das Brot der Schauspieler ist die Hoffnung“ – und natürlich die Bühne. Gerrit Bartels

Bis 29.12. und am 31.12., Mi–So 20.30 Uhr, Mehringhoftheater Gneisenaustraße 2a