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Schäfers schlimmstes Erlebnis

Nach 0:5 gegen Bröndby und UEFA-Cup-Aus muß der KSC-Trainer einen Riß im scheinbar prächtig harmonierenden Team befürchten  ■ Aus Karlsruhe Frank Ketterer

Es waren die Augen. Es war diese Leere in den Blicken, diese starre Leere. Und es waren die Stimmen, diese tiefe Enttäuschung in den Stimmen, die ganz leise nur sprachen und Mühe hatten, Worte und Sätze zu formen. Unendliche Trauer drückte das aus, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit. Weil sie alle gemeinsam keine Erklärung hatten, für das, was gerade geschehen war.

Wie sollten sie auch, wo doch keiner damit gerechnet hatte, daß eintreten könnte, was gerade eingetreten war? 3:1 hatten sie das Hinspiel des UEFA-Cup-Achtelfinales gewonnen, bei Bröndby Kopenhagen, dem dänischen Meister. Was sollte da noch passieren im Wildpark, wo schon ganz andere Kaliber die Segel hatten streichen müssen? Und nun das: 0:5. Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne daß sie jemand darauf vorbereitet hätte.

„Vielleicht haben wir Kopenhagen ja gar nicht mehr richtig ernstgenommen“, mutmaßte Roland Schmieder, der Präsident des Karlsruher SC. So, wie auch die blau-weiße Anhängerschaft im Stadionoval die Sache recht locker angegangen war und gar nicht mit dem Feuer und der Leidenschaft, die normalerweise lodern bei internationalen Aufträgen in Karlsruhe.

Es war ja auch alles im Lot – 40 Minuten lang; die eigene Mannschaft war die bessere, die Kopenhagener wirkten einfach harmlos. Als dann aber Bagger (41.) und Eggen (43.) noch vor der Pause nach Toren ausgeglichen hatten, und bald darauf Vilfort die Dänen erstmals arithmetisch in Führung gebracht hatte (58.), da war es auch schon zu spät, um anzupeitschen und nach vorne zu treiben. Dafür gab's Hohn für die eigenen Kicker. Das 0:4 von Möller (74.) belohnten die KSC-Fans mit „Ihr sei blöd“- Sprechchören. Winfried Schäfer, der Trainer, stand zu diesem Zeitpunkt längst schon nicht mehr am Seitenaus. Reglos auf der Bank Platz genommen hatte er. Dort saß auch Thomas Häßler, der mit Knöchelbruch und auf Krücken ins Stadion gekommen war, um seine Mannschaft siegen zu sehen. Am Ende humpelte er wortlos von dannen. „Der Icke ist mit Schmerzen gekommen“, hat Sean Dundee später sehr pathetisch gesagt, „und er ist mit noch größeren Schmerzen gegangen.“

Er blieb aber Mittelpunkt der Diskussionen, die im Anschluß an solche Niederlagen immer folgen. „Es wäre zu einfach, sich jetzt hinter Thomas Häßler zu verstecken“, krächzte deswegen der rote Winnie. Auch ohne ihn hätte die Mannschaft in der Lage sein müssen, den so komfortabel scheinenden Vorsprung zu verteidigen, sagte der Trainer.

Daß sie es nicht tat, könnte wieder einen empfindlichen Riß geben im Karlsruher Gefüge, das sich doch eine ganze Bundesliga-Vorrunde lang nun schon als eingeschworene Einheit hatte feiern lassen. Denn auch der Trainer kam nicht umhin, das gerade Geschehene als „das Schlimmste, was wir bisher erlebt haben“, zu beschreiben. „Schlimmer noch als Berlin.“

Das hat noch nicht einmal mit den entgangenen Millionen der nächsten Runde zu tun, weil die ohnehin nicht eingeplant waren im Etat. „Wir sind“, hat Schäfer schließlich noch gesagt, „am Boden.“ Und trotzig hinzugefügt: „Jetzt stehen wir wieder auf.“ Letzteres muß erst die Zukunft beweisen.

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