: Der diesjährige Friedensnobelpreisträger, Ost-Timors Bischof Carlos Belo, nimmt am Dienstag in Oslo seine Auszeichnung in Empfang. Heute, am 21. Jahrestag der indonesischen Invasion in Ost-Timor, verläßt er sein Land Richtung Norwegen. Für seinen anschließenden Deutschlandbesuch wurden alle Pressetermine abgesagt. Denn Indonesiens Regierung hat unmißverständlich erklärt, daß sie sich politische Äußerungen des Bischofs zur Lage in Ost-Timor verbittet Von Sven Hansen
Maulkorb für Belo
Der Flug nach Oslo könnte für Carlos Filipe Ximenes Belo eine Reise ohne Wiederkehr werden. Am Dienstag wird dem Bischof aus Ost-Timor zusammen mit José Ramos-Horta, dem Sprecher der osttimoresischen Widerstandsbewegung, in der norwegischen Hauptstadt der diesjährige Friedensnobelpreis verliehen. Während der 47jährige Ramos-Horta bereits seit 21 Jahren im portugiesischen Exil lebt, verläßt Bischof Belo am heutigen Samstag timoresischen Boden – genau am 21. Jahrestag der indonesischen Invasion Ost-Timors.
Indonesiens Außenminister Ali Alatas erklärte kürzlich, Belo sei die Reise nur genehmigt worden, um die Auszeichnung in Empfang zu nehmen. Und schob die unmißverständliche Warnung hinterher, die Preisverleihung dürfe nicht „von Belo oder jemand anderem dazu benutzt werden, Indonesien herabzusetzen“.
Offenbar auf Druck Jakartas hat Belo jetzt sämtliche Pressetermine anläßlich seines Deutschlandbesuchs abgesagt, der am 14. Dezember beginnt und bei dem er am 16. auch Bundeskanzler Kohl treffen wird. In deutschen Kirchenkreisen wird nicht ohne Grund befürchtet, daß der Bischof, sollte er sich in Oslo oder bei seinem Besuch in Deutschland mit politischen Äußerungen nicht zurückhalten, den Zorn der Regierung in Jakarta erregen könnte.
Bei den Salesianern des Don Bosco in Bonn, die den Deutschlandbesuch ihres ost-timoresischen Ordensbruders organisieren, hieß es, Belo habe in einem kurzen Anruf ohne Angabe von Gründen die Medien ausgeladen. Der Bischof habe zwar keine Angst, wolle aber auf jeden Fall wieder nach Ost-Timor zurück, um sein Volk unterstützen zu können. Man könne nicht erwarten, so Franz Pils vom katholischen Hilfswerk Misereor, daß der in einer Diktatur lebende Belo sich verhalte, wie wir das aus einer Demokratie gewöhnt sind.
Ursprünglich wollte Belo am 14. Dezember abends im WDR- Fernsehen in der Sendung „Gott und die Welt“ zusammen mit Vertretern kirchlicher Hilfswerke über die Situation in Ost-Timor diskutieren. Die Absage des Bischofs sei für die Redaktion kein Grund, auf die Sendung zu verzichten, so Moderator Martin Blachmann. Im Gegenteil: „Der Stuhl von Bischof Belo bleibt leer“, aber in der Sendung solle diskutiert werden, wie Belo geholfen werden kann. Als hätte das Osloer Komitee geahnt, wie praktisch zwei Preisträger sind, wird jetzt José Ramos-Horta in der Sendung auftreten.
Indonesiens Regierung erholt sich nur langsam von dem Schock, den das Osloer Komitee am 11. Oktober mit seiner Entscheidung ausgelöst hat, den diesjährigen Friedensnobelpreis an die beiden Ost-Timoresen zu verleihen. Während die Regierung verlauten ließ, eigentlich habe sie selbst die Auszeichnung verdient, da sie 30 Jahre für politische Stabilität in Südostasien gesorgt habe, nutzte sie jede sich bietende Gelegenheit, Ramos- Horta zu diskreditieren. Nicht nur beschwerte sich Jakarta beim Nobel-Komitee über ihn, sondern beschimpfte ihn als „politischen Abenteurer“, „Manipulator“ und „internationalen Terroristen“.
Während das Regime zunächst keine Möglichkeit sah, dem populären Kirchenmann beizukommen, witterte es seine Chance, als der Spiegel am 14. Oktober 1996 ein Interview mit Belo veröffentlichte, das bereits im April geführt worden war. Darin sagte Belo: „Die indonesische Soldateska, die unsere Freiheit raubt und unsere Kultur zerstört, behandelt uns wie räudige Hunde. Gerechtigkeit ist ihnen fremd. Die Indonesier halten uns wie Sklaven.“
Nachdem der deutsche Kanzler Ende Oktober seinen Indonesienbesuch beendet hatte, ließ die Regierung in Jakarta einen jugendlichen Mob gegen Belo demonstrieren, ihn in Zeitungsartikeln und von Politikern angreifen. „Wir können nicht akzeptieren, daß der Bischof politisch Stellung bezogen hat“, sagte Außenminister Alatas.
Der Druck auf Belo nahm rapide zu, doch in Ost-Timor ging die Bevölkerung immer wieder für ihre Symbolfigur auf die Straße. Als schließlich in der Hauptstadt Dili an die 100.000 Ost-Timoresen demonstrierten, hatte Indonesiens Regierung ein Eigentor geschossen. Belo mußte sich zwar dem Druck Jakartas beugen und unterschrieb am 18. November eine Erklärung, daß das Interview „schwer manipuliert und verfälscht“ worden sei. Dennoch gelang es dem Bischof, jenen, die zwischen den Zeilen lesen können, seine Situation zu verdeutlichen. „Es ist nicht wahr“, so Belo zu „seinen“ Äußerungen im Spiegel, „daß ich neun Morddrohungen erhalten habe. Ich bin nur zweimal bedroht worden.“
Die Regierung hat Belo inzwischen aufgefordert, den Spiegel zu verklagen. Informationsminister Harmoko bot ihm im Falle einer Klage die Hilfe der Regierung an. „Wenn der Bischof jetzt nicht schnell handelt, wird das Problem weiter bestehen. Wir werden uns dann fragen müssen, ob das Zitat nicht doch akkurat wiedergegeben wurde“, so Harmoko.
Der Druck, der auf den Hoffnungsträger der Bevölkerung Ost- Timors lastet, ist enorm. Mit Spannung wird jetzt erwartet, ob sich Bischof Carlos Belo bei seiner Reise nach Norwegen und Deutschland an die von der indonesischen Regierung verhängten Auflagen hält oder es riskiert, auch deutliche Worte zu finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen