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Courage im Umgang mit der Polizei!

Die „Aktion Courage“ stellt eine Dokumentation zu polizeilichen Übergriffen gegen Ausländer vor. Rassistische Vorfälle sollten durch die Behörden selbst hart geahndet werden  ■ Aus Bonn Philipp Gessler

Bonn (taz) – So soll es sich abgespielt haben: In der Nacht zum 2. Juli dieses Jahres dringen etwa 20 Polizeibeamte in Uniform und Zivil in die Wohnung des Besitzers einer Pizzeria in Berlin ein, verwüsten die Zimmer und schlagen den heimkehrenden Besitzer, einen Türken, zusammen. Nach Zeugenaussagen wird er „halb bewußtlos“ zu einer Polizeiwache gefahren, wo er sich nackt ausziehen muß. Im Krankenhaus mußten seine Prellungen am ganzen Körper sowie eine geplatzte Augenbraue behandelt werden. Als Grund für ihren Einsatz geben die Ordnungshüter an, daß der Sohn des Pizzariebesitzers Stunden zuvor öffentliche Wände beschmiert haben soll.

Dieses Ereignis gehört nur einer Sammlung von 18 Fällen, bei denen die Polizei gegen Ausländer brutal vorging. Der Menschenrechtsverband „Aktion Courage – SOS Rassismus“ trug ihn gestern in Bonn vor. Die Initiative dokumentiert jedes Jahr Fälle wie den geschilderten.

Brigitte Erler, die Vorsitzende des Verbandes, präsentierte eine Studie, in der Vorschläge „zum Abbau von Rassismus in der Polizei“ gemacht werden. So fordert die „Aktion Courage“ etwa eine gründlichere Untersuchung der Vorfälle sowie die Strafverfolgung rassistischer Übergriffe.

So gut wie kein Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen Übergriffen gegen Ausländer im Dienst werde weiterverfolgt: Alle 112 Verfahren gegen Polizisten zu den Vorfällen des Hamburger Polizeiskandals seien bis zum September 1994 eingestellt worden.

Gegenanzeigen der beschuldigten Polizisten gegen die Antragsteller wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ seien dagegen die Norm, beklagte Frau Erler. Sie schlug die Wahl parlamentarischer Kontrollkommissionen oder Ombudsleute vor, die wie die Wehrbeauftragten mögliche Übergriffe untersuchen könnten.

In Kriminalstatistiken müsse zudem die Kategorie „Nichtdeutsche Tatverdächtige“ entfernt werden, da sie zwar nur Verdächtige erfasse, aber Vorurteile festige. Die Polizei müsse umfassender zum Thema „interkulturelles Zusammenleben und Rassismus“ geschult werden. Ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend sollten acht Prozent aller Polizisten auch Ausländer sein.

Bislang gibt es unter 200.000 Polizisten in Deutschland nur 450 ausländische Ordnungshüter, obwohl das Gesetz den Bundesländern die Einstellung von Nichtdeutschen ermöglicht. Zwar gebe es, so Erler, von den Länderbehörden selbst vielversprechende Ansätze gegen ein Fehlverhalten der Polizisten Ausländern gegenüber. Sie müßten jedoch konsequenter umgesetzt werden.

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