Buchhändler muß für Rassismus und Antisemitismus zahlen

■ Bremer Buchhändler wegen Volksverhetzung zu 13.500 Mark Geldstrafe verurteilt/ Richter: „Egal, ob Sie sich inhaltlich identifizieren“

Über eines wird der angeklagte Buchhändler und Verleger Wieland Körner sich nicht beschweren können: Über mangelnde Sorgfalt seitens des Bremer Amtsgerichts. Dort widmete der Vorsitzende Richter Kornblum dem Vorwurf der Volksverhetzung gegen den Bremer Verlagsbuchhändler gestern einen vollen Gerichtstag – und verurteilte den Angeklagten am Ende einer minutiös geführten Hauptverhandlung zu 13.500 Mark Strafe. Das Gericht blieb damit um 18.000 Mark unter der Strafforderung des Staatsanwaltes – und um 7.000 Mark unter dem vom Beschuldigten selbst auf 20.000 Mark bezifferten Umsatz, den er mit dem Verkauf von rund 3.000 Exemplaren des volksverhetzenden Buches „Wolfsgesellschaft“ erzielt hatte.

Anders als Körners Verteidiger, der „im Namen der Meinungsfreiheit“ auf Freispruch plädiert hatte, hielt das Gericht das von Körner vertriebene Buch „Wolfsgesellschaft – Der kommende Kulturkampf“, das unter dem Pseudonym Reiner Maria Berg von einem Frankfurter Rechtsanwalt und langjährigen FDP-Mitglied verfaßt worden sein soll, für beleidigend und volksverhetzend.

„Der Inhalt des Buches richtet sich allgemein gegen Ausländer, und da besonders gegen Türken; sowie gegen Juden, und da besonders gegen Zionisten“, begründete der Vorsitzende Richter das Urteil. Dem wenig einsichtigen Angeklagten, der den Buchinhalt zudem nicht gekannt haben will, erteilte er zugleich eine Lektion in Sachen Meinungsfreiheit: „Die Meinungsfreiheit hört beim Paragrafen 130 des Strafrechts auf“ – da nämlich wo die Verunglimpfung, Beleidigung und Herabsetzung anderer aufgrund beispielsweise religiösen Glaubens oder ethnischer Herkunft beginnt. Wie ein Arzt oder ein Rechtsanwalt müsse auch ein Buchhändler für Schäden geradestehen, die er durch seine Handlungen verursacht. „Dabei ist egal, ob Sie sich mit dem Buchinhalt identifizieren.“

Wesentlich war aus Sicht des Gerichts, daß das Buch Schaden besonders im Hinblick auf türkische und jüdische Mitbürger angerichtet hat. Auf 180 Seiten ist allenthalben von „assimilierunwilligen“ Juden oder Ausländern, von „metastatischer Infiltration“ gleich türkischer Einwanderung, aber auch vom „Viererkartell“ aus CDU, FDP, SPD und CSU die Rede. Letztere führten ein „ritualisiertes Affentheater“ auf, um den Bürgern demokratische Strukturen vorzutäuschen. Daß sich der Bürger-Frust über mehrere Millionen Türken im Land bisweilen quasi „triebhaft“ entlädt, liege in der Natur der Dinge. Zumal doch viele der Einwanderer – im Einklang mit besagtem politischen Viererkartell – alle Vorteile des hiesigen Lebens genössen. Ein Fehler, aus Sicht des Autoren Berg: Wer hier Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld beziehe, habe „kein Recht auf körperliche Unversehrtheit“, so wörtlich.

Diese und andere krude Angriffe auf politische Strukturen und Beleidigungen gegen insbesondere jüdische Politiker nahm der Bremer Richter gestern als Grund, einem früheren Beschluß der Staatsanwaltschaft Tübingen zu folgen. Die hatte das Buch im Sommer dieses Jahres bundesweit als volksverhetzend und außerdem jugendgefährdend beschlagnahmt.

Die Fahndung beim Tübinger Herausgeber hatte auch den 38jährigen Körner aus Bremen ins Visier der Staatsanwaltschaft gerückt. Da waren die Bremer aufgrund eines internen Hinweises allerdings schon am Ermitteln. „Nicht das erste Mal“, wie Staatsanwalt Uwe Picard einräumt. Alle früheren Verfahren gegen den Bremer Buchhändler, der auch als Verleger rechter Schriften auftritt, mußten aber wegen der sechsmonatigen Verjährungsfrist im Pressewesen eingestellt werden. Der Angeklagte war bis gestern nicht vorbestraft. ede