: Zeit für eine Jahresendsendung
■ Alle Jahre wieder präsentiert uns Günther Jauch seine Lieblingsmenschen des vergangenen Jahres. Bisher im ZDF, diesmal auf RTL (So., 20.15 Uhr)
Wäre der Tourmanager von DJ Bobo nicht mit dem Hubschrauber abgestürzt, hätte ihn Günther Jauch auch nicht eingeladen. So aber erfüllt er locker die Hauptkriterien für einen Menschen 96. Denn nicht nur „Menschen“ verspricht uns der RTL-Konvertit Jauch, sondern auch „Bilder“ und „Emotionen.“ Also holt er sich DJ Bobos Tourmanager auf die Couch und befragt ihn nach den letzten Minuten vor dem Aufprall und ob das nicht sowieso ein ganz verflixtes Jahr war.
Kein Zweifel, es ist wieder die Zeit des Revue-passieren-Lassens gekommen, und deshalb läuft das ausklingende Jahr auf allen Sendern noch einmal im Zeitraffer ab: Krieg in Zaire, Wahl in den USA, Boris beim Tennis, Kaufrausch am Abend und eben der abstürzende Hubschrauber mit DJ Bobos Tourmanager an Bord.
Es ist schon immer so gewesen: Gegen Ende des Jahres wird ausgelesen. Fein säuberlich werden Prominente von Nichtprominenten getrennt und die normalen Underdogs von jenen, die uns aufgrund irgendeines Schicksalsschlags kurz aus der Tageschau zugewinkt haben. Wie z.B. Konstantin Wecker, der noch einmal Kasse macht, bevor er endgültig zur Knastband wechselt. Oder Berti Vogts – immerhin Europameister und hoffentlich angesichts der bevorstehenden Feiertage besser drauf als sonst. Natürlich schaut auch noch Henry Maske rein, der schon bei „Wetten, daß...?“ gezeigt hat, daß er erst dann richtig showkompatibel ist, wenn es zuvor ordentlich einen auf die Maske gegeben hat.
Vogts, Wecker, Maske, Tourmanager von DJ Bobo – das leuchtet unmittelbar ein. Was aber sucht Harald Juhnke in der Show, mag man sich zu Recht fragen. Oder die sommersprossige Zehenlutscherin Sarah Ferguson, die uns RTL dreisterweise als Mega-Mensch 96 unterjubeln will.
Es ist aber auch ein Hauen und Stechen. Schon gestern abend präsentierte uns Wolf von Lojewski in der Jahresendsendung des ZDF seine human mixture aus Hannelore Kohl und Carl Lewis. Den hätte RTL auch gern gehabt, mußte sich aber in der Kategorie Sport mit dem Zehnkämpfer Frank Busemann zufriedengeben. „Der kann wenigstens Deutsch“, grantelt RTL-Chefredakteur Mahr, und außerdem habe RTL in seiner Dreistundenshow „auch was, was tanzt und singt“.
Und was fürs Herz. Wie die Geschichte des namenlosen Polizisten, der während einer Kurdendemonstration krankenhausreif geprügelt wurde. „Natürlich ist das kein Mann für eine ganze Viertelstunde“, sagt Jauch, „aber ich werde zu ihm ins Publikum gehen und ihn fragen, wie es ihm geht.“ Der Mann schreckt anscheinend vor nichts zurück. Oder doch? Denn eigentlich müßte sich der „Stern TV“-Moderator ja selbst interviewen, stand er doch aufgrund seiner dubiosen Rolle im Fall Michael Born 1996 des öfteren selbst im Mittelpunkt. Oliver Gehrs
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