Russischer Haushaltsplan nimmt erste Hürde

■ Mehrheit der Duma-Abgeordneten stimmt für Budget. Der Entwurf sieht erhöhte Ausgaben für Wirtschaft und Soziales vor. Ob die Gelder wirklich fließen, ist fraglich

Moskau (taz) – Der russische Staatshaushalt für das kommende Jahr hat die erste Hürde genommen. 262 der 450 Abgeordneten der Duma stimmten gestern dafür, lediglich 22 sprachen sich dagegen aus. Zu guter Letzt hatten auch die Kommunisten, die größte Fraktion der Duma, dem Budget, wenn auch widerstrebend, zugestimmt. Bis zur endgültigen Annahme muß das Gesetz noch eine dritte Lesung am 25. Dezember sowie das Oberhaus des Parlaments passieren, womit aber erst im neuen Jahr zu rechnen ist.

Den Kommunisten war es gelungen, Premier Wiktor Tschernomyrdin zumindest auf dem Papier zusätzliche 30 Billionen Rubel (10 Milliarden Mark) aus den Taschen zu leiern. Wer den Nutzen davon hat, steht noch nicht genau fest. Allerdings sollten die staatlichen Sozialleistungen angehoben werden, Militär und Landwirtschaft deutliche Zuschläge erhalten. Bei ihnen handelt es sich um die traditionelle Klientel der Kommunisten, die somit ihren Plan gegenüber ihren Wählern erfüllt haben.

Ob die Gelder wirklich fließen, steht auf einem anderen Blatt. Denn gleichzeitig verpflichtete sich die Regierung, mehr Mittel im Laufe der nächsten vier Jahre in die bankrotte Industrie zu investieren. Dergleichen Willensbekundungen hatte es schon häufiger gegeben, ohne daß Taten gefolgt wären. So signalisierten ministerielle Kreise auch gleich ihren Unwillen, mehr Geld auszugeben.

Selbst Wirtschaftsminister Jewgeni Jasin äußerte sich skeptisch zum ausgehandelten Geldsegen. Je mehr finanzielle Verpflichtungen die Regierung einginge, desto weniger könne sie am Ende einlösen. Extramittel aufzutreiben „wird sehr schwierig sein“. Zumal die veranschlagten Steuereinnahmen im nächsten Jahr im Entwurf wieder einmal unrealistisch üppig angesetzt wurden.

Das Parlament hatte vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das Valutatransaktionen steuerpflichtig macht. Die Schlichtungskommission setzte zudem eine ganze Reihe Bestimmungen außer Kraft, die einträgliche Wirtschaftssektoren bisher von Steuerzahlungen befreite oder ihnen Sonderzuwendungen garantierte. Desgleichen wurde auch die Zentralbank stärker zur Kasse gebeten. Die zu erwartenden Mehreinnahmen decken jedoch nicht die 30 Trillionen Rubel der kommunistischen Forderungen. Lediglich die liberale Jabloko-Fraktion weigerte sich, an dieser Augenwischerei mitzuwirken. Sie versagte ihre Zustimmung: „Die Regierung hat Deklarationen wie diese häufig abgegeben, ohne sie jemals zu erfüllen.“

Auch die Kommunisten dürften nicht ernsthaft damit rechnen, daß die Regierung zu ihrem Versprechen steht. Man munkelt, im Tausch gegen ein paar unbedeutendere Ministerposten habe sie ihre Zustimmung verkauft. Bisher halten sie nur das Sozialministerium in ihren Händen. Kommunistenführer Gennadi Sjuganow treibt indes noch eine andere Furcht um. Verweigert die Duma dreimal hintereinander ihre Zustimmung, könnte Präsident Jelzin laut Verfassung das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Innerhalb der Kommunistischen Partei würde dann erneut die Führungsfrage gestellt, mit weitaus schlechteren Aussichten für Gennadi Sjuganow als noch vor einem Jahr. Klaus-Helge Donath