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Bilanz'96: „Sanierungsziel gefährdet“

■ Bremen wird durch Werftenkrise noch mehr als bisher vom Länderfinanzausglich abhängig / Finanzbericht an den Senat

Heute wird der Senat den Controlling-Bericht des Finanzsenators für die ersten drei Quartale 1996 zur Kenntnis nehmen. Die Zahlen sind schlecht, anders war es nicht zu erwarten. Bei der Frage nach möglichen (Handlungs-) „Alternativen“ steht in dem internen Papier aber ein Strich, was sagt: Gibt es nicht. Ebenfalls bei „Öffentlichkeitsarbeit“: Scheint nicht vorgesehen.

Was den Finanzsenator so ratlos macht, ist auf 19 kleingedruckten Seiten mit unendlich vielen Zahlenkolonnen ausgebreitet. Die Zahlenkolonnen, so das interne Papier, dokumentieren die „wieder zunehmende Entkoppelung der bremischen Finanzkraft zum übrigen Bundesgebiet“.

Um insgesamt 395 Millionen werden die Steuereinnahmen Bremens in 1996 nach der derzeitigen Prognose hinter dem Plan zurückbleiben. Diese „Einnahmeschwäche“, so die Beamten des Finanzsenators, „gefährden das Sanierungsziel“. Das liegt daran, daß trotz Konjunkturanstieg die Steuereinnahmen bisher nicht stiegen und daß „insbesondere im Werftbereich“ neue Arbeitsmarktprobleme sich jetzt schon auf die Steuerkraft niederzuschlagen beginnen. Wenn die Vulkan-Werft 1997 dicht macht, ist eine Besserung kaum zu erwarten. Hinzukommt, daß Erlöse aus dem Verkauf öffentlicher Unternehmen 1996 nicht realisiert wurden.

Daß dennoch kein zusätzlicher Nachtragshaushalt erforderlich wurde, hat zwei Gründe: Weil Bremens Steuereinnahmen deutlich mehr als bundesweit Trend war wegbrachen, bekommt Bremen in diesem Jahr vermutlich 250 Millionen mehr „Länderfinanzausgleich.“ Und von der BEB ließ sich das Land die Eigenkapitalzinsen schon vorab auszahlen – eine versteckte neue Verschuldung also, die Summe wird in den nächsten beiden Jahren fehlen.

„Gespart“ hat Bremen schließlich auch bei den Investitionen: Bis zum Oktober sind ca. 250 Millionen weniger an Investitionen ausgegeben worden als geplant war. Da müsse Bremen in den letzten Wochen des Jahres noch ordentlich Geld ausgeben, schreiben die Finanzbeamten, „zur Vermeidung des Eindrucks, Bremen betreibe Haushaltskonsolidierung durch überproportionale Kürzungen im investiven Bereich“.

Die mittelfristige Finanzplanung Bremens baut auf steigende Finanzausgleichszahlungen: Von 496 Millionen (1995) bis auf 846 Millionen im Jahre 2000 soll der Finanzausgleich für Bremen ansteigen, plant das Finanzressort.

Unter dieser Bedingung und unter der Annahme, daß die Ausgaben des Landes praktisch auf „Nullwachstum“ festgeschrieben werden können, fehlen allerdings für 1999/2000 noch 2,7 Milliarden im Planwerk. Was tun? 2,2 Milliarden Neuverschuldung, 500 Millionen weiter einsparen, findet Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU). Letzteres wird nicht gehen, sagt Bürgermeister Henning Scherf (SPD).

Über den Länderfinanzausgleich, von dem Bremen immer mehr abhängig wird, meinte der bayerische Ministerpräsident Stoiber jüngst: „Der Finanzausglich ist Hilfe zur Selbsthilfe, nicht Beihilfe zur Konkursverschleppung K.W.

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