: Kohl läßt iranischen Schriftsteller im Kerker sitzen
■ Keine Bonner Reaktion auf den offenen Brief der Ehefrau von Faradsch Sarkuhi. Iran droht der Bundesregierung mit Konsequenzen für den „Mykonos“-Prozeß
Berlin (taz) – Der Kanzler schweigt. Am Donnerstag hatte Faride Zebardschad, die Frau des im Iran verschwundenen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi, in Bonn einen offenen Brief an Helmut Kohl vorgestellt: Er solle den „kritischen Dialog“ mit Iran nutzen, um das Schicksal ihres Mannes zu klären. Eine Antwort blieb Kohl bisher schuldig. Auf Anfrage der taz erklärte gestern eine Sprecherin des Kanzleramtes: „Auf offene Briefe wird, soweit ich weiß, überhaupt nicht reagiert.“
Vom Bundepresseamt hieß es: „Auf offene Briefe reagieren wir nicht.“ Auch auf die gestern in der taz dokumentierten Briefe von Orientalisten und Schriftstellern an die Bundesregierung gab es keine Reaktion. Lediglich aus dem Auswärtigen Amt hieß es, der Deutsche Botschafter in Teheran sei „mehrfach im iranischen Außenministerium vorstellig geworden“ – zuletzt am vergangenen Mittwoch. Dort habe man ihm erklärt, nach Angaben der Fluggesellschaft Iran Air sei Sarkuhi aus dem Iran ausgereist. Der Botschafter habe daraufhin gesagt, die Bundesregierung nehme an, daß Sarkuhi sich noch im Iran befinde.
Sarkuhi war am 3. November auf dem Flughafen Teheran verschwunden, als er seine in Deutschland lebende Familie besuchen wollte. Freunde Sarkuhis gehen davon aus, daß der Chefredakteur der kritischen Literaturzeitschrift Adineh von Irans Geheimdienst festgehalten wird. Faride Zebardschad hatte in ihrem Brief an Kohl die Befürchtung geäußert, ihr Mann könnte in Teheran als Geisel festgehalten werden, „um einen Ausgang des ,Mykonos‘-Prozesses zu erreichen, der für die iranische Regierung zufriedenstellend ist“.
In dem Prozeß um den Mord an vier oppositionellen iranischen Kurden im Berliner Restaurant „Mykonos“ wirft die Bundesanwaltschaft Iran Staatsterrorismus vor: Den Mordbefehl hätten Geheimdienstmininster Fallahian, Präsident Rafsandschani und Irans geistlicher Führer Chamenei persönlich gegeben. Was passieren könnte, wenn diese Namen im „Mykonos“-Urteil auftauchen, deutete Irans Parlamentspräsident Nateq Nuri gestern in der FAZ an: „An einem solchen Tag können wir nichts unter Kontrolle halten. Wir können dann niemanden zurückhalten. Die Deutschen müssen wissen, daß es sie sehr viel kosten wird.“
Bei der taz meldeten sich unterdessen weitere Orientfachleute, die ihre Unterschrift unter den gestern dokumentierten Apell an Kohl setzen, er solle sich bei Irans Regierung für Sarkuhi einsetzen: der Leiter des Deutschen Orientinstituts, Prof. Dr. Udo Steinbach, sein Mitarbeiter Dr. Kai Hafez, der Islamwissenschaftler Navid Kermani und die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen. Thomas Dreger
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