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Andrawes soll zur Aussage gezwungen werden

■ Bundesanwalt beantragte im Haas-Prozeß Beugehaft gegen die eigene Zeugin. Verteidigung: Kronzeugin fürchtet Strafe und „Demontage des Selbstbildes“

Frankfurt/Main (taz) – Zum ersten Mal in der bundesdeutschen Justizgeschichte ist gestern eine anerkannte Kronzeugin zur Erzwingung ihrer Aussage in Beugehaft geschickt worden. Die wegen der Entführung der Passagiermaschine „Landshut“ zu zwölf Jahren Haft verurteilte Palästinenserin Suhaila Andrawes weigerte sich vor dem Frankfurter Staatsschutzsenat bis zum Nachmittag, als Zeugin gegen die dort angeklagte Monika Haas auszusagen.

Andrawes überlebte als einzige der Terroristen schwerverletzt die Befreiung des Flugzeugs in Mogadischu im Herbst 1977. Sie betrat den Gerichtssaal gestern mit Krücken und erhielt leihweise den orthopädischen Stuhl des Vorsitzenden Richters. „Ich bedauere“, sagte sie, „ich werde kein einziges Wort über diese Sache kundtun.“ Begründen wolle sie ihren Entschluß nicht, denn „es gibt keinen Platz für die menschlichen Bedürfnisse im Strafgesetzbuch“. Und: „Ich habe genug!“

Andrawes, die Haas vor ihrer Auslieferung von Norwegen nach Deutschland beschuldigt hatte, die Waffen für die „Landshut“-Entführung nach Mallorca gebracht zu haben, hatte sich schon mehrmals geweigert, diese Aussagen zu wiederholen und sie schon im Januar dieses Jahres schriftlich zurückgenommen. Als selbst Angeklagte hatte sie sich außerdem auch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Das konnte sie gestern, Ende November selbst rechtskräftig verurteilt, nicht mehr.

Vorsitzender Schieferstein belehrte die Zeugin mehrfach, daß sie nun aussagen müsse. Andrawes erklärte, ebenfalls mehrfach, sie wisse das und nehme die Folgen in Kauf. Auch auf einen Appell von Monika Haas, die Wahrheit zu sagen und die damalige Falschaussage zuzugeben, reagierte sie mit Ablehnung. Bundesanwalt Homann beantragte, die Zeugin zu den Kosten für ihre Anreise, einem Ordnungsgeld und Beugehaft zu verurteilen. Diese kann bis zu sechs Monaten dauern und wird nicht auf die Strafhaft angerechnet.

Das Gericht gab dem Antrag statt, nachdem Richter Schieferstein Andrawes noch einmal daran erinnert hatte, daß sich durch ihre Weigerung die ihr in Aussicht gestellte Ausreise nach Norwegen verzögern könne. Die Rechtsanwälte von Monika Haas hatten vorher darauf hingewiesen, daß die Zeugin sich eventuell weigere, weil sie sich nicht mit neuen Straftaten, zum Beispiel der Falschaussage und der durch die Verhaftung von Monika Haas entstandenen „mittelbaren Freiheitsberaubung“, belasten wolle. Außerdem, so Rechtsanwalt Bendler, scheue sie sich möglicherweise davor, ihr „Selbstbild auch in der arabischen Öffentlichkeit zu demontieren“.

Andrawes, die ihr eigenes Urteil „unrichtig“ nannte, kündigte an, daß sie von ihrer Weigerung nicht abrücken werde: „Weder wenn es sechs Monate sind, noch wenn es sechs Jahre sind.“ Die Verteidigung von Haas holte am Nachmittag einen norwegischen Journalisten in den Zeugenstand, der gehört hatte, wie Andrawes während ihrer Urteilsverlesung in Hamburg die Urteilsbegründung bei jenen Passagen heftig unterbrach, die sie zur Kronzeugin gegen Haas machten. Sie soll laut gerufen haben: „Monika Haas hat die Waffen nicht geliefert.“ Der Prozeß wird am 2.Januar fortgesetzt. Heide Platen

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