piwik no script img

Türkisch-deutsch – längs oder quer?

■ Abschluß der Veranstaltungsreihe „Lebenswege“

Die Drei-Zimmer-Wohnung, in der sie seit zehn Jahren leben, ist für die vierköpfige Familie eigentlich zu klein. Eine größere sei nur schwerlich und sehr viel teurer zu haben, begründet Ismael Kilicli die dauerhafte Bindung an Altona. Es sei leichter für die Familie, sagt hingegen seine Frau Antje, in einem Viel-Völker-Stadtteil zu leben. Ihr fünfjähriger Sohn hat die Eltern neulich gefragt, auf welche Weise er denn halb türkisch, halb deutsch sei – längs oder quer geteilt.

Als drittes binationales Ehepaar haben die Kiliclis in der Veranstaltungsreihe über ihre „Lebenswege“ berichtet, die Anfang der 80er aufeinandertrafen. Antje studierte Sonderpädagogik; Ismael war nach einem Pädagogikstudium 1979 nach Hamburg gekommen und schrieb sich an der HWP ein. Neben dem Studium und „mit viel Idealismus“ arbeiteten beide in einem Altonaer Stadtteilzentrum mit überwiegend türkischen Kindern und Jugendlichen. Zunächst waren sie Kollegen, erst später ineinander verliebt, 1985 heirateten sie, Antje höchst schwanger. „Wir hätten auch so miteinander leben können“, sagt Ismael. Aber nur durch die Heirat war sein Aufenthalt in Hamburg auch nach Abschluß des Studiums ein gesicherter.

Ismael war bei der Geburt beider Kinder dabei, nach der zweiten hat er Erziehungsurlaub genommen, während Antje als Lehrerin arbeitete. Eine andere Rollenverteilung, merkte eine Zuhörerin an, sei bei binationalen Partnerschaften nicht unbedingt etwas Besonderes. Aber auch die in solchen Beziehungen häufig von der Muttersprachlerin übernommenen Behördengänge erledigte Ismael selbst: Weil er einige Jahre als Sozialberater tätig war und sich viel besser damit auskennt, sagt Antje, und weil er sich viel besser streiten kann.

Die offene, streitfreudige Art ihres Mannes hat Antje zunächst befremdet, heute nennt sie – die in einer „sehr ruhigen“ Familie aufwuchs – es eine Herausforderung und meint es positiv. Auch wichtige Termine halte er mittlerweile ein, „meistens“. Eine bürokratische Planung selbst von Freizeit und Freundschaften empfindet Ismael als typisch deutsch. Es ist nicht das einzige, was ihn „hier“ stört. Auch nach zehn Jahren falle es ihm immer noch schwer, unter Deutschen zu leben, die ihm im Alltag nur wenig Offenheit und kaum Toleranz entgegenbringen.

Er würde gern wieder in der Türkei leben oder auch in einem anderen Land, wo es so ist wie dort. Auf einer Insel in der türkischen Ägäis baut die Familie ein Haus, verbringt mehrmals im Jahr ihren Urlaub dort. Und für immer? „Ich würde wagen, es für ein Jahr zu versuchen“, sagt Antje. Als Lehrerin habe sie die Möglichkeit, sich versetzen oder beurlauben zu lassen. Da sei sie sehr privilegiert, sagt sie nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Stefanie Winter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen