: Gedämpfte Dissonanzen
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft spielt ihre Entäuschung über die deutsch-tschechische Erklärung und über die CSU herunter ■ Aus München Felix Berth
Alles doch nicht so schlimm? Die aktuellen Konflikte zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft seien kein großes Problem, beteuert Konrad Badenheuer, Pressesprecher der Landsmannschaft. „Man hat sich in den letzten Tagen deutlich die Meinung gesagt. Aber zum Bruch kommt es nicht, denn die CSU bewegt sich bereits wieder in unsere Richtung.“ Damit will er betonen, daß das jahrzehntelange konservative Bündnis noch hält.
Trotzdem staunt der Besucher im „Sudetendeutschen Haus“ über diese Aussage. Ein Bruch der Landsmannschaft mit der CSU? Was vor zwei Jahren keiner zu denken gewagt hätte, ist plötzlich politisches Planspiel geworden – und es ist mehr als eine Drohung, wenn Badenheuer sagt, das Ende der Traditionsallianz würde der CSU mehr schaden als seiner Landsmannschaft.
Solche neuen, dissonanten Töne gehören zu den Nebenwirkungen der deutsch-tschechischen Versöhnungserklärung, die in den letzten anderthalb Jahren zwischen Bonn und Prag ausgehandelt wurde und morgen von Außenminister Klaus Kinkel unterzeichnet werden wird. Diese Erklärung war den sudetendeutschen Funktionären von Anfang an suspekt – und lange schien die CSU deren Fundamentalopposition zu unterstützen. So erklärte Edmund Stoiber noch vor wenigen Wochen, ihm sei egal, ob die Erklärung jetzt oder in ferner Zukunft zustandekomme.
Doch inzwischen hat die CSU- Spitze den Rückzug vollzogen. Theo Waigel formulierte am Montag ein „konditioniertes Ja“, und Stoiber begnügte sich am Dienstag mit der Forderung nach direkten Gesprächen der Sudetendeutschen mit den Tschechen sowie kleinen sprachlichen Korrekturen. Für die Funktionäre der Sudetendeutschen muß diese Pressekonferenz eine bittere Erfahrung gewesen sein: Sie saßen neben ihren Parteifreunden und durften lediglich ihre Minderheitsmeinung zu Protokoll geben.
Die verhaßte Politikerin. Nur manchmal, wenn Konrad Badenheuer spricht, verläßt er seine wohlformulierende Geradlinigkeit und wird aggressiv. Zum Beispiel beim Thema „Antje Vollmer“. Die bündnisgrüne Politikerin suchte in den letzten Jahren den Dialog mit den Vertriebenen und hat sich damit vor allem deren Zorn zugezogen: „Frau Vollmer tut alles, um unsere politischen Ziele zu konterkarieren“, sagt Badenheuer. „Als Bundestagspräsidentin ist sie eine Fehlbesetzung. Zum Beispiel weil sie sich in der Tibetfrage für die Opfer engagiert, in unserem Fall hingegen letztlich für die Täter.
Vielleicht läßt sich ein Teil seiner Wut erklären durch ein Interview, das Antje Vollmer vor kurzem gab. Darin nennt sie den Pressesprecher einen „jungen rechten Intellektuellen“, einen der „jungen heißen Leute der CSU“.
Konrad Badenheuer, Jahrgang 1966, will sich bei unserem Besuch nicht anmerken lassen, ob ihn diese Einschätzung ärgert: „Falls ich ein Teil der rechtsintellektuellen Szene sein sollte, ist es kein bewußt gewählter Ort“, sagt er schneidig. Daß Antje Vollmer in diesem Interview amüsiert feststellte, daß Badenheuer nicht einmal nach den großzügigsten Kriterien zu den Vertriebenen gehört, pariert er mit: „Es ist mir eine Ehre für eine Volksgruppe zu arbeiten, die Opfer eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit geworden ist und so miserabel behandelt wurde.“
Bequeme Nischen. Zwei Stockwerke über Badenheuers Büro im Münchner Sudetendeutschen Haus sitzt Peter Becher, Jahrgang 1952 und ein etwas anderer Vertriebener. Nicht was seinen Stammbaum angeht, denn der ist mustergültig: Die Familie stammt aus Prag, sein Vater war in der CSU und der Sudetendeutschen Landsmannschaft aktiv, seine Großmutter war Tschechin, ein Urgroßvater kam aus Ungarn. „Vielleicht erklärt das, warum ich für nationale Gedanken wenig übrig habe“.
Peter Becher, Geschäftsführer des „Adalbert Stifter Vereins“ und somit ebenfalls Berufsvertriebener, hat zur Versöhnungserklärung eine Minderheitsposition: „Ich bin zwar nicht euphorisch „aber ich stehe ihr positiv gegenüber. Denn darin wird in einem Ausmaß Bedauern über die Vertreibung geäußert, das es vorher nicht gab.“
Nun könnte man vermuten, die letzten Wochen seien für Becher eine Zeit der ständigen Auseinandersetzung mit den Kollegen der Landsmannschaft gewesen. Doch offenbar herrscht zwischen der großen Sudetendeutschen Landsmannschaft und den kleineren Gruppen eine gewisse Sprachlosigkeit: „Solche Gespräche finden kaum statt“, so Becher.
Offensichtlich haben sich beide Seiten, konservative Mehrheit und progressive Minderheit, in ihren Nischen bequem eingerichtet. Ein gemeinsames Gremium fehlt: „Die Sudetendeutsche Zeitung druckt nichts von mir, und ich suche mir andere Medien für meine Veröffentlichungen“, sagt Becher. Von außen kämen auch kaum Impulse: „Jüngere rücken aus Desinteresse kaum nach, so daß eine Modernisierung der Landsmannschaft nicht stattfindet“. Neidisch blickt er über die tschechische Grenze: „Dort ist das halbe Kabinett jünger als ich“, sagt er. „Wenn die auch alle so alt wären wie unsere Vertriebenenfunktionäre, wäre die Verständigung noch schwerer.“
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