: Im Alltag herrscht der Pragmatismus
Trotz aller Distanzierungen der Parteispitzen – im parlamentarischen Alltag des Abgeordnetenhauses arbeiten SozialdemokratInnen und Bündnisgrüne durchaus mit der PDS zusammen ■ Von Barbara Junge
Politik mit der PDS? Undenkbar. Regierungsunfähig sei die Partei des Demokratischen Sozialismus, historisch belastet und politisch illusionär. „Wir werden keinen Dialog mit der PDS führen“, so die markigen Wort des SPD- Landesvorsitzenden Detlef Dzembritzki. „Es gibt keine gestaltende Kraft mit der PDS“, läßt auch der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Klaus Böger, wissen. Und Wolfgang Wieland, Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen, fordert von der PDS die Loslösung von ihrer Vergangenheit – bevor man zusammenarbeiten könne.
Im Preußischen Landtag herrscht jedoch längst der pragmatische Alltag. In Ausschüssen und im Plenum des Abgeordnetenhauses debattieren die Fraktionen politisch mit der PDS und verabschieden schon mal Beschlüsse gegen die Stimmen der CDU-Fraktion.
So gelingt es zum Beispiel auch dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, nicht, jedesmal nach der strengen Koalitionsdisziplin gegen die PDS zu stimmen. Im September mißbilligte er gemeinsam mit dem bündnisgrünen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland und der PDS-Innenpolitikerin Marion Seelig die Flüchtlingspolitik von Koalitionspartner Innensenator Jörg Schönbohm (CDU).
Einen Termin für die Rückführung der bosnischen Flüchtlinge dürfe es nicht geben, so die übereinstimmende Stellungnahme. Und auch bei dem trotz aller Kürzungen in sonstigen Bereichen nicht verkleinerten Polizeihaushalt war Lorenz' krampfhaftes Schlucken deutlich zu hören. „Wir stimmen dem nur zu, wenn Sie auch tatsächlich die Reform der Polizei umsetzen“, warnte er in Richtung Schönbohm, „sonst gibt es das Geld im nächsten Jahr nicht mehr.“ Im Oktober rang sich Lorenz' Kollegin Esther Drusche dazu durch, im Reigen mit Bündnisgrünen und PDS die Unangreifbarkeit des Kirchenasyls zu fordern.
Im Ausländerausschuß stimmten die SozialdemokratInnen Ende Oktober zusammen mit der PDS einem Antrag der Bündnisgrünen für ein Konzept zur beruflichen Qualifizierung junger bosnischer Flüchtlinge zu. Wieder gegen die Stimmen der CDU. Im Verkehrsausschuß kämpfte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Käthe Zillbach, gemeinsam mit der Opposition gegen die Preiserhöhungen bei der BVG, die der Wirtschaftssenator Pieroth (CDU) durchsetzte.
Die Zusammenarbeit setzt sich auch im Plenum fort: Bei der letzten Plenarsitzung stellten sich ausreichend Abgeordnete der SPD stur und stimmten nicht gegen zwei Anträge der Bündnisgrünen: Die zügige Umsetzung der Solaranlagenverordnung wurde dadurch mit den Stimmen der PDS ebenso beschlossen wie die Aufforderung an den Senat, eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung von Sicherheitszulagen für Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu starten.
Ein Höhepunkt war die erste Haushaltsdebatte. „Sie haben eine Oppositionsrede gehalten“, jubilierte der bündnisgrüne Haushaltsexperte Arnold Krause jüngst, als Finanzsenatorin Annette Fugman- Heesing die CDU-Sparverweigerer ins Gebet nahm. „So spricht man nur, wenn das Verhältnis schon zerrüttet ist“, frohlockte der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf zum selben Anlaß und bot der Finanzsenatorin eine Mehrheit jenseits der CDU an.
Die Bündnisgrünen haben sich damit abgefunden, gemeinsam mit der PDS die Oppositionsrolle innezuhaben. Sie wettern gegen den Kolitionshaushalt und ringen um den Erhalt besetzter Häuser. Und die Landesverbände von PDS und Bündnisgrünen veranstalten eine Gesprächsreihe zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zu gemeinsamen Perspektiven. Die Koalitionsdisziplin macht es der SPD wesentlich schwerer – aber nicht unmöglich. Jenseits der warmen Worte für eingefleischte sozialdemokratische Antikommunisten im Westteil und SED-geschädigte WählerInnen und Mitglieder im Ostteil der Stadt hat auch die SPD oft mehr Gemeinsamkeiten mit der PDS aufzuweisen als mit dem ungeliebten Koalitionspartner CDU: angefangen von der versuchten stillen Beerdigung des Neubaus der „Topographie des Terrors“ – die Christdemokraten hatten die Streichung des Projekts schon Anfang des Jahres in die Koalitionsvereinbarung schreiben wollen – über den Streit anläßlich des Neubaus der Akademie der Künste. Den wollte eine christdemokratische Traditionsriege unter Anführung von Bausenator Jürgen Klemann mit Stuck statt mit Glas erbaut wissen.
Die linke Gemeinsamkeit setzt sich fort bei der heißumkämpften vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Während sich Bürgermeisterin und Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) getreu der Bundeslinie ihrer Partei für den Erhalt der Lohnfortzahlung bei städtischen ABM-Beschäftigten stark machte, unternahm Gesundheitssenatorin Beate Hübner den Vorstoß, die im Bundesgesetz angestrebten Kürzungen direkt umzusetzen. Und unterlag.
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