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„Das Regime hat Druckmittel genug“

■ Der Exiliraner Bahman Nirumand bezweifelt die Version vom Verschwinden aus familiären Gründen. Schon oft sind Intellektuelle zu falschen Aussagen gezwungen worden

taz: War das Verschwinden des Faradsch Sarkuhi nur ein Bluff?

Bahman Nirumand: Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten. Wenn jemand vorhat, seine Kinder zu entführen oder von Deutschland in den Iran zu bringen, kündigt er seine Abreise nicht vorher an, wie Sarkuhi das bei seiner Frau und einigen Freunden getan hat. Unvorstellbar, daß er sich wochenlang in Deutschland oder Holland aufhält, von diesem Pressewirbel erfährt und sich nicht bei einem seiner zahlreichen Freunde in Deutschland meldet. Und warum ist er über Turkmenistan zurückgereist und nicht direkt von Deutschland zurückgeflogen?

Was glauben Sie, wo Sarkuhi die letzten 47 Tage gesteckt hat?

Meine Vermutung ist, daß er jedenfalls nicht nach Deutschland gekommen ist.

Das Ganze könnte ein Trick des iranischen Geheimdienstes sein?

Das könnte es sein. Teheran steckt in bezug auf den „Mykonos“- Prozeß in einer schwierigen Situation, und man überlegt sich dort sicherlich, wie man dem begegnen könnte. Es wurden ja bereits Drohungen ausgesprochen, deutsche Waffenlieferungen in den Irak während des Golfkriegs aufdecken zu wollen. Es könnte auch sein, daß man jetzt versucht, so eine Art Austausch mit der Bundesregierung zu betreiben. Vielleicht wurde der Fall Sarkuhi exemplarisch statuiert.

Jetzt ist er wieder frei. Wie soll er als Druckmittel dienen?

Er ist physisch frei. Ob er aber politisch frei ist und in der Lage ist, die Wahrheit zu sagen, das bezweifle ich sehr.

Hat es schon einmal einen vergleichbaren Fall gegeben?

Nein. Selbstverständlich hat es unzählige Fälle gegeben, in denen Schriftsteller und auch politische Häftlinge unter Druck Reuegeständnisse abgelegt haben und Äußerungen machten, die der Wahrheit nicht entsprachen.

Wie könnte der iranische Geheimdienst Sarkuhi dazu gebracht haben, diese Geschichte zu liefern?

Das kann man nur vermuten. Das Regime hat schon Druckmittel, um gegen Schriftsteller vorzugehen und sie zu bestimmten Äußerungen zu zwingen. Es spart nicht mit Repressionen, auch gegen die Familie und die Kinder...

...die in Deutschland leben.

Auch in Deutschland ist man nicht ganz sicher vor Irans Regime.

Gesetzt den Fall, Sarkuhi war tatsächlich in den Händen des iranischen Geheimdienstes. Muß der nicht fürchten, daß Sarkuhi irgendwann sagt, was passiert ist?

Ja, aber die Frage ist, wann. Vorläufig hat er Ausreiseverbot und kann den Iran nicht verlassen. Der beste Beweis für die Stimmigkeit der Geschichte wäre doch der, daß man Sarkuhi dies erlaubt.

Glauben Sie, das Sarkuhi derzeit im Iran in Gefahr ist?

Ich denke schon. Das betrifft nicht nur ihn, sondern zahlreiche Schriftsteller. Ich habe die Information bekommen, daß sie alle unter einem unerträglichen Druck stehen und die Repressionen in den letzten Monaten stark verschärft worden sind.

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